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Kritik - Otto Nicolais "Il Templario" in Salzburg Zwischen Routine und tragischer Größe

Am Samstag präsentierten die Salzburger Festspielen eine Rarität. In der Reihe "Die Wiener Philharmoniker und ihre Komponisten" stellten die Musiker ein fast vergessenes Werk ihres Gründers Otto Nicolai vor, von dem man nur "Die lustigen Weiber von Windsor" kennt: "Il templario" ist eine tragische Belcanto-Oper und spielt im finsteren Mittelalter. Am Pult stand Andrés Orozco-Estrada, mit von der Partie war Startenor Juan Diego Flórez.

Juan Diego Flórez | Bildquelle: Decca

Bildquelle: Decca

Opernkritik

"Il Templario" von den Salzburger Festspielen

Wer weiß schon, dass der der junge Otto Nicolai vor seiner Zeit als Wiener Hofkapellmeister in Rom Karriere machte, als eingefleischter Preuße dem Belcanto verfiel und fünf italienische Opern schrieb? Das 1840 in Turin uraufgeführte Melodramma "Il Templario" basiert auf dem historischen Roman "Ivanhoe" des beliebten Stofflieferanten Walter Scott und bescherte Nicolai einen Triumph.

Hexenverbrennung und Gottesgericht

England im Jahr 1194: Politisch-religiöse Konflikte zwischen Normannen, Angelsachsen und dem militanten Templerorden lähmen das Land. Hexenverbrennung und Gottesgericht sorgen für ein dramatisches Ende der Oper. Im Zentrum steht der zwielichtige Tempelritter Briano, dem Luca Salsi mit voluminösem, aber recht eindimensionalem Bariton machtvolle Statur verleiht.

Gleißendes Timbre und atemberaubende Spitzentöne

Der Komponist Otto Nicolai | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Komponist Otto Nicolai | Bildquelle: picture-alliance/dpa Während Nicolai sein melodisches Talent im ersten Akt noch arg konventionell einsetzt, findet er später über Donizetti und Bellini hinausgehende Töne, die auf den frühen Verdi vorgreifen. Nicolais "Templario" bietet den Sängern dankbares Futter, das vor allem Juan Diego Floréz inmitten eines soliden Ensembles für brillante Auftritte nutzt. Mit seinem gleißenden Timbre und seinen atemberaubenden Spitzentönen dürfte der Peruaner im lyrischen Fach derzeit konkurrenzlos sein. Als schwarzer Ritter Vilfredo von Ivanhoe, eine Robin Hood-Figur, setzt er sich zwar für die Jüdin Rebecca ein, erteilt ihr am Ende aber aus gesellschaftlicher Räson eine Abfuhr.

Emotionaler Überdruck

Der Dirigent Andrés Orozco-Estrada | Bildquelle: picture-alliance/dpa Dirigent Andrés Orozco-Estrada | Bildquelle: picture-alliance/dpa Rebeccas Gewissenskonflikt zwischen ihrer Liebe zu Vilfredo und ihrer Treue zum Judentum macht sie zu einer Figur von tragischer Größe. Die junge Mezzosopranistin Clémentine Margaine stürzt sich mit Emphase in diese Rolle. Ihr Leiden vermittelt Nicolai aber nicht glaubwürdig. Wie überhaupt die abstruse Dramaturgie des Librettos kaum einen Regisseur für "Il templario" begeistern dürfte. Trotz viel lohnender Musik und grandioser Ensembles ist die Oper kein Gewinn fürs Repertoire. Sie hätte vor allem orchestral eine inspirierendere Wiederbelebung verdient - denn der lediglich elegant am Pult tänzelnde Andrés Orozco-Estrada vermag es nicht, den Wiener Philharmonikern mehr als Opern-Betriebsroutine zu entlocken. Auch wegen des lautstarken Salzburger Bachchors leidet der Abend unter emotionalem Überdruck, bewegt sich pauschal zwischen Mezzoforte und Fortissimo. Schade, aber einen Versuch war’s allemal wert - auch für solche Ausgrabungen sind Festspiele schließlich da.

"Il Templario" auf BR-KLASSIK und in Salzburg

Otto Nicolai:
"Il Templario"
Festspielzeit am Samstag, 03. September, 19:30 Uhr

Weitere Aufführung des Werks in Salzburg
Dienstag, 30. August, 15:00 Uhr
Salzburg, Großes Festspielhaus

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