Mit zwei konzertanten Vorstellungen der Opernrarität Il templario des Komponisten Otto Nicolai präsentierten die Salzburger Festspiele ihre letzte Opernproduktion dieser Saison. Nicolai, der Gründer der Wiener Philharmoniker war, ist im heutigen Opernrepertoire eigentlich nur durch seine Lustigen Weiber von Windsor vertreten, war jedoch zu Lebzeiten durchaus ein erfolgreicher Opernkomponist. Der Erfolg der Uraufführung von Il templario verschaffte ihm schließlich die Kapellmeisterstelle der Wiener Hofoper und war somit indirekt für die Gründung der Philharmoniker von großer Bedeutung.

Stilistisch ist die italienische Oper geprägt vom Belcanto, weist aber auch deutsche Einflüsse auf, die sich besonders in der gekonnten Instrumentierung zeigen.  Während die Oper musikalische eine grandiose Wiederentdeckung ist, könnte die Handlung nicht verstrickter und dubioser sein. Im Zentrum steht Vilfredo d‘Ivanhoe, der Rovena liebt und von der Jüdin Rebecca geliebt wird. Rebecca widerum wird vom Tempelritter Briano heftig umworben, der schließlich im Gottesduell (eine Parallele) stirbt und auch Rebecca stirbt am Kummer der einseitigen Liebe – die Handlung kommt einer historischen Telenovela gleich und sorgt für reichlich Drama.

Die mitreißenden Ensembleszenen mit ihren eingängigen Linien haben die Zugkraft eines frühen Verdi und die Führung der Gesangslinien ist reinster Belcanto. Im Gegensatz zu seinen italienischen Kollegen exerziert Nicolai jedoch in Verbindung mit den schönen, langen Phrasen auch intensiven Kontrapunkt und lässt interessante Nebenstimmen aufscheinen. Gekonnt bringt er das Drama des Geschehens in die Partitur ein und macht den Opernabend so überaus kurzweilig.

Andrés Orozco-Estrada leitete die Aufführung mit explosiver Kraft und energievoller Präzision. Allein optisch war es bereits ein Vergnügen, seinem eleganten, aber trotzdem spannungsgeladenem Dirigat zuzusehen. Auch die Wiener Philharmoniker schienen die Wiederentdeckung des Werkes als wichtiges Projekt zu sehen und spielten höchst brillant mit packender Dynamik und beispielloser Genauigkeit. Der Salzburger Bachchor überzeugte ebenfalls mit einer ausgewogenen Darbietung und einem harmonischen, balancierten Gesamtklang. In kleineren Rollen waren Franz Supper (Isacco di York) und Armando Piña (Luca Beaumanoir) zur hören, wobei Piña mit einem kräftigen jugendlichen Bariton überzeugen konnte, während Supper stellenweise Intonationsprobleme zu haben schien. Cedrico il Sassone wurde vom Bass Adrian Sâmpetrean gesungen, dessen noble, ehrwürdige Stimme ideal zur Rolle passte. Seine Darbietung war spannend, schön und zeigte große Musikalität.

In der Rolle der Geliebten Rovena hörte man Kristiane Kaiser, die stimmlich nicht unbedingt ideal wirkte, mit viel Hingabe trotzdem überzeugen konnte. An manchen Stellen hätte man sich jedoch etwas mehr Leichtigkeit und Flexibilität in der Stimme gewünscht. Clémentine Margaine hingegen packte das Publikum hingegen mit einer extrem sinnlichen, samtenen Stimme, die durch dramatische Kraft und einer wunderbaren farblichen Bandbreite überzeugte. Besonders ihre große Soloszene zu Beginn des zweiten Teils war spannend und überaus mitreißend.

Auch Luca Salsi konnte beim Publikum mit seiner dunklen bedrohlichen Stimme punkten und spielte den Briano mit großer Hingabe.  Mit beispielloser Durchschlagskraft und dementsprechender Belcanto-Erfahrung gab er eine der besten Darbietungen der Vorstellung. Held des Abends war aber natürlich Juan Diego Flórez als Vilfredo d’Ivanhoe, einer Partie, die sich durch außergewöhnliche Höhe auszeichnet. Ebendiese hohe Tessitura wurde von dem peruanischen Tenor mit Leichtigkeit bewältigt. Zwar mögen seine Spitzentöne teilweise etwas angestrengter gewirkt haben als noch vor einigen Jahren, aber er ist immer noch Meister der hohen Töne und überzeugte mit einer großen Bandbreite an Ausdruck, nuancierter Dynamik und wunderschöner Belcanto-Phrasierung.

Mein persönliches Highlight war das grandiose Finale des ersten Teiles, dessen mitreißende aufpeitschende Rhythmik und engängige Melodien außerordentlich packend waren. Der dramatische und musikalische Drive der Szene ließ die Zuschauer nicht kalt und wurde mit Begeisterungsstürmen belohnt. Il templario ist eine grandiose Wiederentdeckungen kann sich in der Zukunft hoffentlich eines besseren Schicksals erfreuen: Die explosive Energie dieses Finales eröffnete sicher nicht nur mir die Frage, warum dieses Werk bisher nicht öfter gespielt wurde. Für solche Schätze der Raritätenkiste auf höchstem Niveau sind die Festspiele ideal und können so vergessenen Werken eine Wiederbelebung ermöglichen.

Man kann nur hoffen, dass sich diese Wiederentdeckungen auch in der Ära Hinterhäuser im Spielplan finden werden. Il templario zählt zu den grandiosen Wiederentdeckungen der Salzburger Festspiele und darf sich womöglich über ein besseres Schicksal in der Zukunft freuen

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