Megan Kahts (Timaea) und Franz Gürtelschmied (als Alkibiades).

Foto: Armin Bardel

Wien – In einer zerfallenden Säulenhalle erinnert sich Denker Sokrates, wie alles Schreckliche begann und seinen Lauf nahm. Er plaudert im Elysium mit der melancholischen Göttin Athene (profund Mareike Jankowski) über jene Vorgänge, die nicht nur zu seinem Dahinscheiden (durch einen Schierlingsbecher) führten. Nebst der demokratischen Kultur Athens und ihrem Friedensethos, so Sokrates (hervorragend Klemens Sander) in Ernst Kreneks Pallas Athene weint, ließen auch virtuose Intriganten ihr Leben.

Eine Stadt zieht da wieder in den Krieg gegen Sparta. Die Bürger sind knetbar, auf deren Gefühlen wird gespielt wie auf einer Harfe, heißt es an einer Stelle des glänzenden Librettos treffend. Der neidzerfressene Intrigant Meletos (sehr prägnant auch als Darsteller Lorin Wey), der dem zum Heerführer erkorenen Populisten Alkibiades keinen Ruhm gönnt, manipuliert so gut wie der von ihm Gehasste, der auch eine Priesterin zum Liebemachen animiert (intensiv und höhensicher Barbara Zamek).

Orchestrales Spannungsfeld

Zwischen den beiden hat Pazifist Meton (passabel Yevheniy Kapitula) keine Chance, Gehör zu finden. Es naht der Untergang Athens in Form von Kriegsgeilheit und Spartas König Agis (ausdrucksstark Karl Hum), dem Gattin Timaea (packend Megan Kahts) mit dem moralfreien Alkibiades davongelaufen ist.

In der Regie von Christoph Zauner entfaltet sich die Geschichte mit soliden Erzählmitteln. Es wirkt zwar alles ein bisschen statuarisch; die Anatomie eines Untergangs jedoch ist klar herausgezeichnet. Die Stärke dieser Produktion der Neuen Oper Wien ist jedoch musikalischer Art. Allen voran ist Franz Gürtelschmied (als Alkibiades) zu nennen, dessen Tenor – was Timbre, Klarheit und Intensität anbelangt – internationales Format aufweist.

Auch insgesamt ergab sich eine sehr niveauvolle Ensembleleistung, der Dirigent Walter Kobera mit dem guten Tonkünstler-Orchester sensibel unter die Arme griff. Den Eindruck, einem starken Libretto hätte Krenek hier ein nicht sehr starkes orchestrales Spannungsfeld beschert, konnte allerdings nicht weginterpretiert werden. (Ljubisa Tosic, 27.10.2016)