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Musiktheater
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La forza del destino
(Die Macht des Schicksals)


Oper in vier Akten
Libretto von Francesco Maria Piave und Antonio Ghislanzoni
nach dem Drama Don Álvaro o La fuerza del sino von Ángel de Saavedra, Duque de Rivas
Musik von Giuseppe Verdi (zweite Fassung, Mailand, 1869)

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere im Theater Basel am 22. Oktober 2016


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Theater Basel
(Homepage)

Die Vernunft hat keine Chance

Von Roberto Becker / Fotos von Sandra Then

"Die Macht des Schicksals" heißt die Oper - eigentlich könnte sie auch "Die Macht der Unvernunft" oder "Der Triumph eines verlogenen Ehrbegriffes" heißen. Was anders soll es sein, wenn der Bruder die eigene Schwester noch im Sterben umbringt. Ohne dass die wirklich was verbrochen hat. Abgesehen davon, dass sie den "falschen" Mann liebt. Zumindest nach Ansicht von Vater und Bruder. Ein Blick in den Gruselkatalog der sogenannten Ehrenmorde in der Grauzone der Parallelgesellschaften zeigt allerdings, dass das alles nicht so weit in der Vergangenheit versunken ist, wie wir es in emanzipierten und säkularen Zeiten gerne hätten. Gleichwohl macht der in seinen Operninszenierungen immer auf Relevanz für die Gegenwart in den Stoffen erpichte Regisseur Sebastian Baumgarten keine reality show daraus und vermeidet jeden allzu wohlfeilen Aktualitätsbezug.

Szenenfoto

Elena Stikhina und Evgeny Stravinsky - Leonora beim Padre Guardiano

Für die in Basel gespielte zweite, 1868 für Mailand überarbeitete Fassung der 1862 in St. Petersburg uraufgeführten Oper erfindet Baumgarten eine eigene Quasi-Realität, die mit den Kostümen von Marysol del Castillo und Chris Kondeks Videobildern näher am Heute und Gestern als am Vorgestern, also der Zeit der Entstehung oder Handlung, andockt. Bühnenbildnerin Barbara Ehnes hat ein zweigeschossiges, wie aus Containern zusammengesetztes Raumkonstrukt auf die Drehbühne gestellt. Damit ergeben sich einmal eine geräumige und ansonsten eher verwinkelte Spielflächen. Das Kriegslager gibt es als "Playmate Ranch" im Westernlook, in der Anaik Morel als stimmkräftige und flippige Preziosilla ihre "Rataplan"-Kriegstrommel rührt.

Szenenfoto

Anaïk Morel - Preziosilla als ein Einpeitscherin

Die reichlichen, eher assoziativen, die Bilder des Krieges zitierenden Videos komplettieren dieses Raumgebilde und erzeugen eine eigene Atmosphäre, die Nähe und Ferne zugleich evoziert. Dabei spielt die offene Bühnenästhetik immer wieder mit religiösen und quasireligiösen Symbolen.

Szenenfoto

Anaïk Morel, Chor, Extrachor und Statisterie des Theater Basel - die Macht der Schicksals als Macht der Bilder

Das Problem, aber auch der Reiz dieses Stoffes liegt in der collageartigen Abfolge der Szenen. Dabei wird die schicksalhafte Verbindung zwischen Don Alvaro (ein andersartig aussehender Latino von edler Geburt, den es inkognito nach Europa verschlagen hat) und jener einheimischen Leonora di Vargas, für deren Zukunft der Vater und dann vor allem ihr Bruder Don Carlo ganz andere Vorstellungen haben als sie selbst, immer wieder vor den Hintergrund eines kriegerischen Alltags mit all seinen Folgen für Gewaltbereitschaft und Todesnähe geblendet. Hinzu kommt die ambivalente Rolle der Kirche, die in diesem Falle allerdings auch zur letzten Zufluchtsstätte sowohl für Alvaro als auch für Leonora wird. Padre Guardiano nimmt erst Alvaro in sein Kloster auf und bietet dann Leonora die Zuflucht einer abgeschiedenen Eremitenhöhle. Am Ende triumphiert der Blutrausch und nur Alvaro überlebt. Vielleicht jedenfalls.

Szenenfoto

Aquiles Machado - als Don Alvaro, ein tragischer Held ohne Chance

Der Pultgast Ainars Rubiks setzt mit dem Sinfonieorchester Basel bewusst auf die suggestive Wirkung, die das Schicksalsmotiv entfaltet, aber auch auf die Macht der Chorszenen. Da er aber zugleich den Solisten Raum lässt, können die mit ihren vokalen Stärken punkten. Was allen voran vor allem die Sopranistin Elena Stikhina gelingt. Von dieser Sängerin, ihrer unverbraucht strahlenden Stimme und ihren betörenden Piani konnte man nicht genug bekommen. Ein Name, den man sich merken muss! Der Südamerikaner Aquiles Machado strahlte als Alvaro, überwand schnell den unbeholfenen Eindruck als Liebhaber und überzeugte gegen Ende restlos. Vladislav Sulimsky war ein wuchtiger Don Carlo zum Fürchten, Evgeny Stravinsky ein überzeugender Padre Guardiano.

FAZIT

Sebastian Baumgarten macht das Collageartige von Verdis Macht des Schicksals zum Wegweiser für seine in assoziative Bilder übersetzte Geschichte, die vom Scheitern jedes Versuches erzählt, mit Vernunft aus einer vertrackten Lage zu kommen. Musikalisch bietet Basel mit diesem Verdi Spitzenklasse.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ainars Rubikis

Inszenierung
Sebastian Baumgarten

Bühne
Barbara Ehnes

Kostüme
Marysol del Castillo

Video
Chris Kondek

Licht
Guido Hölzer

Choreographie
Kinsun Chan

Chor
Henryk Polus

Dramaturgie
Pavel B. Jiracek



Chor und Extrachor des Theater Basel

Statisterie des Theater Basel

Sinfonieorchester Basel


Solisten

Marchese di Calatrava
Pavel Kudinov

Leonora di Vargas
Elena Stikhina

Don Carlo di Vargas
Vladislav Sulimsky

Don Alvaro
Aquiles Machado

Padre Guardiano
Evgeny Stavinsky

Fra Melitone
Andrew Murphy

Preziosilla
Anaïk Morel

Mastro Trabuco
Karl-Heinz Brandt?

Curra
Maren Favela /
Valentina Marghinotti

Un Alcade
Vivian Zatta

Un Chirurgo
Vahan Markaryan



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Basel
(Homepage)



Da capo al Fine

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