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Okkavaria! München hat einen neuen Wagner-Star

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Ein Debüt, dem große Münchner Premierenrollen folgen müssen: Okka von der Damerau als Brangäne (re.) mit Petra Lang als Isolde.
Ein Debüt, dem große Münchner Premierenrollen folgen müssen: Okka von der Damerau als Brangäne (re.) mit Petra Lang als Isolde. © Wilfried Hösl

München - Die Bayerische Staatsoper hat Wagners „Tristan und Isolde“ wiederaufgenommen - mit einer überragenden Okka von der Damerau als Brangäne. Lesen Sie hier unsere Kritik:

Ein kurzer Blick, eine interessierte Erwiderung, die Andeutung eines Lächelns. Was fehlt, wäre die Einladung zum Kuscheln auf dem Liegestuhl. Doch dann hätte Wagners Liebesdrama endgültig die falsche Abzweigung genommen. „Tristan und Isolde“ heißt der Vierstünder schließlich, wo so verhängnisvoll die Säfte steigen, und nicht „Brangäne und der Seemann“. Eine Mini-Szene nur. Aber es ist die erotischste im ersten Akt dieser Wiederaufnahme, wenn nicht des ganzen langen Abends. Ein Abend, an dem ein Wagner-Star geboren wurde – wobei Münchens Operngänger das ja schon längst geahnt haben.

Eine Ausnahmesolistin

Waltraute, Ulrica, das sind die größten Rollen, die Okka von der Damerau an ihrem Stammhaus, der Bayerischen Staatsoper, bislang gegönnt wurden. Jetzt, bei der Wiederaufnahme des „Tristan“, debütiert sie als Brangäne. Und jedes Mal, wenn sie den Mund aufmacht, haben es die Kollegen schwer, auch die gestandenen. Alles ist da, was eine Ausnahmesolistin kennzeichnet. Die starke Präsenz, die wie angeborene Sicherheit auf der Bühne, erst recht eine Stimme mit Hinhörgarantie: ein sehr gehaltreicher Mezzo, kraftvoll ohne künstliche Vergrößerung, üppig blühend, mit triumphalen Höhen, sinnlich im Timbre, dazu eine metallische Legierung, die es leicht macht gegen das Riesenorchester. Vielleicht hat Christa Ludwig in ihren besten Brangäne-Zeiten einst ähnliche Wirkung erzielt.

Von dieser Rolle zur Isolde ist Petra Lang vor einiger Zeit aufgestiegen. Alle Töne sind da, alles ist genau zurechtgelegt. Dennoch ist manches verkünstelt und hergestellt. Die komischen Elemente in Peter Konwitschnys Inszenierung (die in der Grundanlage noch gut funktioniert) liegen ihr nicht. Mit zunehmender Dauer wird Petra Lang jedoch freier, Isoldes Liebestod ist ihr bester Moment.

Der Tristan liegt Stephen Gould gut in der Kehle

Stephen Gould gehört zur raren Spezies der schweren Helden. Der Tristan liegt ihm gut in der Kehle. Eine Indisposition gleicht er intelligent aus – auch das ein Beweis für seine Klasse. Iain Paterson, unter anderem in Bayreuth schon als Wotan gebucht, singt einen kernigen, wetterfesten Kurwenal. René Pape ist als viriler, stimmschöner Marke ohnehin ein Selbstläufer. Dass dieser König und Brangäne am Ende vor den Särgen des Titelpaares verweilen, entbehrt nicht der Ironie: Rein vokal gesehen wäre dies das eigentliche Traumduo.

Um Simone Young, seit ihrem Abschied von der Hamburgischen Staatsoper als freie Dirigentin vor allem mit den Schlachtrössern unterwegs, fürchtet man anfangs. Das Vorspiel wird bis zur Glutarmut überdehnt. Doch dann glückt – auch dank des großartigen Bayerischen Staatsorchesters – eine Interpretation, die vorführt: Wagner braucht nicht unbedingt Emotions-Extremisten oder Detailfetischisten. Simone Youngs „Tristan“ ist eine sehr flexible Angelegenheit. Ganz unaufgeregt und souverän lotsend kümmert sich die Australierin um die verschiedenen Aggregatszustände dieser Musik, lässt natürlich das eine aus dem anderen fließen. Heftiger Jubel für einen großen Abend, der Fragen aufwirft: Warum wurde Okka von der Damerau nicht für die Venus im neuen „Tannhäuser“ verpflichtet? Und wann folgen Dalila, der Komponist in „Ariadne“ oder Amneris?

Weitere Aufführungen 

am 17. und 21. April;

Telefon 089/ 2185-1920.

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