SZenario:Titanischer Tannhäuser

Nach der Premiere der Wagner-Oper ist der Buh-Sturm erwartbar - und geht im allgemeinen Jubel unter. Freilich gibt es an diesem Abend einiges zu diskutieren, vor allem, was die Bildersprache des Regisseurs betrifft

Von Andreas Schubert

München: Premiere TANNHÄUSER - Staatsoper

Die Künstler (v. li.) nach der Vorstellung: Elena Pankratova, Dirigent Kirill Petrenko, Regisseur Romeo Castellucci, Klaus Florian Vogt.

(Foto: Johannes Simon)

Die vielen Buhs hat Romeo Castellucci offenbar ziemlich schnell verdaut. Bei der Premierenfeier des Tannhäuser jedenfalls ist der italienische Regisseur ziemlich entspannt, nicht zuletzt, weil sich Intendant Nikolaus Bachler geradezu mit Lob für die Inszenierung überschlägt - und dafür von der Feiergesellschaft wiederum viel Applaus einheimst. Er habe in jeder Rolle den Sänger gesehen, der das zurzeit am besten kann, sagt Bachler, für den jede Wagner-Premiere, wie er sagt, "etwas Besonderes" ist, weil man in München den Geist des Komponisten noch immer spürt.

Deshalb ist es auch nicht richtig anzunehmen, der neue Tannhäuser sei beim Publikum durchgefallen: Als Castellucci nach der Aufführung mit deren umjubelten Sängern auf die Bühne kommt, ist der Buh-Sturm erwartbar, wie bei fast jeder modernen Inszenierung. Demgegenüber stehen aber auch viele Bravos - ein besonders profundes kommt zum Beispiel von Konstantin Wecker, der ja selbst mit einem lauten Organ gesegnet ist, und den Buhern so gut etwas entgegenhalten kann.

Buh versus Juhu: Das gehört zu einer guten Münchner Opern-Premiere, genauso wie das Defilee der Münchner Stadtgesellschaft, die in den beiden Pausen auf den Stufen des Nationaltheaters an diesem sonnigen Sonntagnachmittag noch mehr glänzt als sonst - was eine Gruppe japanischer Touristen dazu animiert, eifrig Fotos zu machen. Vielleicht haben sie ja auch Kultusminister Ludwig Spaenle vor die Linse genommen, der an diesem Tag besonders strahlte. "Ganz hervorragend", sagt er hinterher und superlativiert dann noch: "titanisch". Freilich gibt es an diesem Abend einiges zu diskutieren, vor allem, was die Bildersprache des Regisseurs betrifft. Einige der Bilderrätsel lassen sich ohne eingehende Beschäftigung nicht spontan lösen, aber Spaenle immerhin zieht bei einer blutig anmutenden Szene Parallelen zum österreichischen Künstler Hermann Nitsch (dem "Blutkünstler") und bei einer Szene mit wallenden Vorhängen zu einer Fernsehwerbung aus den Achtzigerjahren: "Wie hieß gleich wieder diese Gardine mit der Goldkante?" Er war sicher nicht der einzige, dem das spontan eingefallen ist. Schauspieler Udo Wachtveitl (am selben Abend im München-Tatort zu sehen) hält sich mit Interpretationen ebenfalls zurück, doch auch ihm habe es gut gefallen, sagt er. Vor allem die "Wirkungsmacht vieler Bilder", wobei das Geschehen auf der Bühne seinem Geschmack nach vielleicht szenischer hätte sein dürfen.

Wenn eine Oper so viel Gesprächsstoff liefert, hat sich der Besuch schon gelohnt. Darüber dürften sich viele Gäste im Rennert-Saal einig sein. Weil zu viel reden auf Dauer aber auch fad sein kann, machen viele lieber Selfies mit den Sängern. Anja Harteros (Elisabeth) strahlt dabei hinter der Bühne genau wie zuvor beim Schlussapplaus; Klaus Florian Vogt (Tannhäuser) wirkt zwar, als hätte er einen Langstreckenlauf hinter sich, aber auch er: Strahlemann. Selbst für einen erfahrenen Wagner-Tenor wie ihn ist ein Rollendebüt als Tannhäuser kein Kindergeburtstag. Er sei "erleichtert", sagt er denn auch und lobt neben dem restlichen Ensemble auch den Maestro suggeritore (Souffleur), bei dem er sich beim ersten Vorhang mit Handschlag bedankt hat: "Der hat mir sehr geholfen."

Wein, Bierchen, Leberkäs und Chili con Carne: Das Ensemble der Staatsoper gibt sich unter der Discokugel dem Feiern hin, im Saal nebenan wird auch getanzt. Klaus Florian Vogt setzt auf die Frage, wie lange der Abend denn wohl noch dauern wird, ein charmantes Lächeln auf und meint: "noch sehr lange."

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