Die Salzburger Festspiele und ihr neuer Intendant Markus Hinterhäuser haben einen Lauf: Die Monteverdi-Trilogie, Mozarts "Titus" und Schostakowitschs "Lady Macbeth" durfte man schon als große szenische Erfolge verbuchen. Und Sonntagabend kam ein prognostiziertes Theaterereignis hinzu: Giuseppe Verdis "Aida" war mit Hochspannung erwartet worden und geriet tatsächlich zum Operntriumph.

Bei der Premiere unterstrich Anna Netrebko als Debütantin in der Titelrolle ihren Stammplatz auf dem Sopranistinnenthron. Mit dem Brokat in ihrer Stimme, die Sinnlichkeit wie Dramatik gleichermaßen beherrscht, und ihrer darstellerischen Präsenz gab sie in einem wunderschönen stahlblauen Seidenkleid hoch beeindruckend die äthiopische Prinzessin Aida, die nach Ägypten entführt wird und dort in einen Taumel von politischen und emotionalen Kämpfen gerät.

Der Genueser Francesco Meli stattete den ägyptischen Feldherrn Radamès, der sich verbotener Weise in die Gefangene verliebt und damit sie und sich nicht erst beim Anrücken der äthiopischen Streitmacht in ein Dilemma stürzt, mit herrlichem Tenor aus. Ekaterina Semenchuk sang herb-prachtvoll die Pharaonentochter Amneris, die Aida als Sklavin hält und in ihr bald eine Liebesrivalin erkennt. Der italienische Bass Roberto Tagliavini als König und der Rest des Ensembles sowie der geforderte Wiener Staatsopernchor boten ebenfalls Festspielniveau.

Am Pult sorgte Riccardo Muti, der Verdis Vierakter nach 38 Jahren erstmals wieder dirigiert, für fast kammermusikalische Feinarbeit, selbst im berühmten Triumphmarsch, freilich ohne die großen Gesten in Verdis Partitur zu vernachlässigen. Mit den blendend disponierten Wiener Philharmonikern fand der 76-jährige Italiener zu einer farbigen, kontrastreichen Interpretation des 1871 in Kairo uraufgeführten und in Salzburg erst einmal unter Karajan zu sehenden Dramas. Ein echter Souverän im Dienste der Musik. 

Christian Schmidt hat mit offenen Kuben und Treppen auf der Drehbühne einen zeitlosen Tempelort in das Große Festspielhaus gebaut, an dem sich die geschickt choreographierten Figuren in Tatyana van Walsums eleganten Kostümen bewegen und stierschädlige Tänzer rituelle Reigen vollführen. 

Überzeugend und unter die Haut gehend ist die allererste Opernregie von Shirin Neshat, die auch auf Videos von Martin Gschlacht zurückgreift, den Wiener Kameramann ihres internationalen Filmerfolgs "Women Without Men". Die seit Langem in New York lebende iranische Künstlerin arrangiert das Spiel der Mächte zwischen Verstand und Gefühl, zwischen Politik und Privatheit, zwischen Hohepriestern und Militärs in der versprochenen Reduziertheit, die der Musik sehr zugute kommt. Und ihre Deutung der "Aida" gerät – aus dem Schmerz ihrer eigenen Verbannung aus ihrer Heimat vor 21 Jahren heraus – auch zur Refexion über Frauenschicksale, Tyrannei und Unterdrückung in autoritären Gesellschaften.

Riesenjubel (und ein einsamer Buhruf) von einem illustren Publikum - auch von Ex-Präsident Heinz Fischer samt Frau über Ex-Kanzler Franz Vranitzky bis zum Ex-Intendanten Peter Ruzicka, von Banker Andreas Treichl über ORF-Chef Alexander Wrabetz bis zum Medienmanager Horst Pirker und Erzbischof Franz Lackner, von zig Vertretern aus der Kulturszene wie dem Galeristen Thaddaeus Ropac und dem Pianisten Rudolf Buchbinder über den Startenor Placido Domingo bis zu "Jedermann" Tobias Moretti mit seiner Frau Julia. Lange, berechtigte Standing Ovations für die Adelung eines Opernklassikers durch ein exzellentes Gesamtteam und speziell für die strahlende Königin Anna I.