Es dauert eine gehörige Opernweile, bis sich das Pärchen findet. Mit der Regie von Christof Loy lohnt das Warten auf das finale Glück von Kathryn Lewek (als Ginevra) und Cecilia Bartoli (als Ariodante).

Foto: Monika Rittershaus

Salzburg – Während im großen Festspielraum die opulent erstarrende Aida über die Bühne stapft, tanzt im Haus für Mozart ein von den Pfingstfestspielen übernommener Erfolg leichtfüßig auch seinem sommerlichen Triumph entgegen. Georg Friedrich Händels Ariodante ist die Leihgabe des kleinen Festivals, bei dem Cecilia Bartoli als künstlerische Leiterin und impulsive Sängerin seit Jahren eine Garantie für lebendiges Musiktheater abgibt.

Auch bei den epischen zeitlichen Ausmaßen des barocken Opus, das von der (an Intrigen fast scheiternden) Bindung Ariodantes an Ginevra, die Tochter des schottischen Königs, handelt, sind zwar Längen, doch keinerlei Leerläufe zu erkennen. Den Figuren wird zwar reichlichst Raum zur koloraturseligen Darstellung innerer Befindlichkeiten gewährt. Es will die Spannung allerdings nie wirklich erlahmen.

Regisseur Christof Loy, in Salzburg längst erprobter Advokat einer psychologischen Vertiefung opernhafter Verwicklungen, choreografiert – dekorativ betrachtet (Kostüme: Ursula Renzenbrink) – eine Reise durch diverse Epochen. Da sind galant bis verwirrt tanzende Barockgeschöpfe. Da sind Vertreter romantischer Salongestik wie auch erotische Anbandler unter Rokokoperücken. Und Zeitgenossen sind ebenfalls zu finden. Intrigen und Abgründe zwischen Macht und Minne sollen als zeitlose Phänomene wahrgenommen werden.

Ein neutraler weißer Einheitsraum, der sich einmal verengt, dann wieder zum Trichter ausweitet, unterstützt diesen Eindruck (Bühne: Johannes Leiacker). Loy verlässt sich allerdings nicht auf bunte Kostümschinkeneffekte. Alles an Rahmenoptik wird ihm zum atmosphärisch reizvollen, verspielten Milieu, um darin mit kleinen Gesten Wesentliches einer Figur – samt Widersprüchen und Konflikten – zu erhellen.

Zwischentöne pulverisieren Opernklischees: Der Intrigant und Widersacher Ariodantes, dieser Polinesso (mit geschmeidigen vokalen Kostbarkeiten: Christophe Dumaux), ist als eine Art zärtlicher Sadist angelegt. Er instrumentalisiert die ihm hörige Dalinda (profund, etwas herb im Klang Sandrine Piau), Ariodante und Ginevra auseinanderzubringen. Ihre Fragilität und masochistische Tendenz erleichtern das Vorhaben.

All dies wäre wenig, würde es nicht aus der Musiksprache der Charaktere herauswachsen. Loy schafft es jedoch, aus den virtuosen Partien mit ihren endlosen Linien eindringliche Portraits zu modellieren. Nach anfänglichem musikalischem "Aquaplaning" entwickelt sich Kathryn Lewek (als Ginevra) zur intensiven Tragödin, die mit klarer Pianokultur Szenen großer Intimität schafft.

Cecilia Bartoli ist als Ariodante ebenfalls eine Klasse für sich, was Geläufigkeit und diskrete Klangschönheit anbelangt. Bei Loy durchläuft die Figur eine Metamorphose, Ariodante steht letztlich da als Ritter von der weiblichen Gestalt. Die Liebe damit als von Rollenklischees befreite Idee.

Auch Nathan Berg (als König), Rolando Villazón (als Lurcanio) und der Bachchor kommen in den Genuss der Arbeit von Gianluca Capuano und der Musiciens de Prince. Differenzierte, historisch informierte und doch insistente Orchesterkunst vermittelt farbenreich Energie, um den Händel'schen Längen Kurzweil zu verleihen. (Ljubiša Tošić, 18.8.2017)