Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Maria Stuarda

Tragedia lirica in drei Akten
Libretto von Giuseppe Bardari nach Friedrich von Schiller
Musik von Gaetano Donizetti

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln 

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater Duisburg am 15. Dezember 2017


Homepage

Rheinoper
(Homepage)

Duell zweier Königin im Panopticon

Von Thomas Molke / Fotos von Monika Rittershaus

Die Geschichte der Maria Stuart hat nicht nur ganze Regale in Bibliotheken mit Studien darüber gefüllt, ob sie ihre Hinrichtung selbst zu verantworten hatte. Auch in der Literatur haben Friedrich von Schiller in seinem Drama und ca. 35 Jahre später Gaetano Donizetti mit seiner Vertonung ein Denkmal gesetzt und ihre Stilisierung zu einer Legende unterstützt. Während sich Schiller das Sujet kurz nach dem Abschluss von Kabale und Liebe  bewusst ausgewählt hatte, fiel Donizettis Wahl auf diesen Stoff wahrscheinlich eher mit Blick auf eine Trilogie in doppelter Hinsicht. Zum einen steht Donizettis Maria Stuarda zwischen seinen beiden Opern Anna Bolena und Roberto Devereux, mit denen er mit Anne Boleyn, Mary Stuart und Elisabeth I. das Leben von drei außergewöhnlichen Königinnen der Tudor-Dynastie im 16. Jahrhundert vertont hat. Zum andern bildet die Oper auch mit der bereits 1829 komponierten Elisabetta al castello di Kenilworth und Roberto Devereux eine Elisabeth-Trilogie, da Elisabeth I. in allen drei Werken eine zentrale Rolle spielt. Ein großer Erfolg war Maria Stuarda bei der Uraufführung nicht vergönnt. Die Gleichrangigkeit der beiden weiblichen Hauptpartien stellte ein großes Problem für das übersteigerte Ego der Primadonnen dar. So soll es sogar bei einer Probe zu Handgreiflichkeiten gekommen sein, nach denen eine der beiden Sopranistinnen ohnmächtig von der Bühne getragen werden musste. Dann wurde die Uraufführung nach der ersten Kostümprobe überraschend von der Zensur verboten, weil die katholische Gemahlin Ferdinands, Christina, angeblich wegen der Hinrichtung einer mit ihr verwandten Königin im Stück zu betroffen gewesen sei. Als die Oper dann schließlich am 30. Dezember 1835 an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde, waren die beiden Primadonnen stimmlich indisponiert, so dass das Werk lange Zeit ein Misserfolg blieb. Seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts haben sich jedoch immer wieder namhafte Sängerinnen wie beispielsweise Edita Gruberova oder Joyce DiDonato um dieses Stück verdient gemacht.

Bild zum Vergrößern

Lord Cecil (Laimonas Pautienius) drängt Elisabetta (Mary Elizabeth Williams) Marias Todesurteil zu unterzeichnen (im Hintergrund links: Giorgio Talbot (Giovanni Furlanetto)).

Während sich Maria Stuart und Elisabeth I. im wahren Leben nie begegnet sind - Elisabeth I. hat die Bitten der Stuart für ein gemeinsames Treffen immer abgelehnt -, bildet die Zusammenkunft der beiden Königinnen sowohl in Schillers Drama als auch in Donizettis Vertonung den zentralen Kern. Den männlichen Figuren kommt eigentlich keine bedeutende Funktion im Stück zu. Sie dienen nur als Spielbälle im Machtkampf der beiden Frauen. Giuseppe Bardari, den Donizetti als Librettist engagierte, weil der langjährig erprobte Felice Romani keine Bühnenaufträge mehr annehmen wollte, kürzte Schillers fünfaktige Tragödie auf drei Akte und reduzierte das Dramenpersonal von 21 Figuren auf drei Sängerinnen und drei Sänger. Neben Maria und Elisabetta kommt nur Anna Kennedy als Marias Vertraute in einer kleinen Nebenrolle vor. Von den männlichen Figuren bleiben Giorgio Talbot, der Maria in der Gefangenschaft umsorgt und ihr kurz vor ihrer Hinrichtung die Beichte abnimmt, Lord Guglielmo Cecil, der Elisabetta durch das ganze Stück hindurch drängt, Marias Todesurteil zu unterschreiben, und der Conte di Leicester, der gefühlsmäßig zwischen beiden Frauen hin- und hergerissen ist und dessen Gefühle für Maria schließlich den Ausschlag dafür geben, dass Elisabetta der Hinrichtung Marias zustimmt. Während in Schillers Drama ein missglücktes Attentat auf Elisabeth erfolgt, für das Maria verantwortlich gemacht werden soll, reichen in der Oper Marias Beleidigungen aus, das Zusammentreffen mit Elisabetta in einem Eklat enden zu lassen. Der Schluss der Oper gehört dann ganz allein Maria auf ihrem Weg zum Schafott, während bei Schiller das Ende Elisabeth gewidmet ist.

Bild zum Vergrößern

Roberto (Gianluca Terranova) steht zwischen Maria (Olesya Golovneva) und Elisabetta.

Das Regie-Team um Guy Joosten konzentriert sich auf die Vorstellung, dass Maria Stuart ihre Hinrichtung als Möglichkeit betrachtet habe, sich selbst als Märtyrerin zu stilisieren. Darauf deuten Stickereien hin, die sie in der Gefangenschaft vollendet hat. Einen Spruch baut Joosten in seine Inszenierung ein. So sieht man bereits während der Ouvertüre in einer Videoprojektion eine Frauenhand auf eine schwarze Wand den Spruch "In my end is my beginning" schreiben. Wenn sich der Vorhang öffnet, wiederholt Maria Stuarda diesen Vorgang an der halbrunden Rückwand des Gefängnisses. Für den Gefängnisraum hat sich Bühnenbildner Roel van Berckelaer von einem Panopticon inspirieren lassen, das der englische Philosoph und Sozialwissenschaftler Jeremy Bentham Ende des 18. Jahrhunderts als Alternative zu einem dunklen Kerker entwickelt hat. Hierbei sind die Zellen ringförmig um einen hohen Turm in der Mitte angebracht, so dass die Gefangenen permanent durch Fenster zum Inneren des Gebäudes vom Wärter im Turm aus sichtbar sind, diesen jedoch nicht sehen können und somit die Vorstellung einer totalen Überwachung entsteht. Maria übernimmt in der Inszenierung jedoch weniger die Rolle der Gefangenen als vielmehr die Funktion einer alles überwachenden Wärterin. So hat sie sich in der Bühnenmitte ein kleines gemütliches Domizil eingerichtet, was unter anderem auch darauf hinweisen soll, dass die historische Mary Stuart während ihrer 18 Jahre andauernden Gefangenschaft äußerst luxuriös in verschiedenen Schlössern mit einer Vielzahl von Dienstboten gelebt hat. Die Insassen in diesem Panopticon scheinen vielmehr die anderen Figuren des Stückes zu sein: Elisabetta, die bei der Entscheidung, die Rivalin hinzurichten, alles andere als frei ist, und Leicester, der als Spielball zwischen den beiden starken Frauen fungiert. So steht beispielsweise Elisabetta während Marias Schlussszene in einer hell erleuchteten Gefängniszelle im Hintergrund und beobachtet verzweifelt Marias glorreichen Abgang, bei dem Kostümbildnerin Eva Krämer sich an dem schwarzen Kleid mit der weißen Haube orientiert, in dem Maria zum Schafott geführt worden sein soll und unter dem sie ein feuerrotes Kleid als Zeichen einer Märtyrerin getragen haben soll.

Bild zum Vergrößern

Talbot (Giovanni Furlanetto) nimmt Maria (Olesya Golovneva) die Beichte ab.

Mit gelungenen Lichteffekten von Stefan Bolliger werden die unterschiedlichen Ebenen des Bühnenbilds je nach Akteur detailliert hervorgehoben. Wenn Elisabetta und Maria nach ihrer großen Szene im zweiten Akt im Streit auseinandergehen, werden die beiden Frauen in klaren Konturen vom Licht gezeichnet, Maria im vorderen Bereich der Bühne, Elisabetta in einer Zelle im Hintergrund, während die übrigen als dunkle bedeutungslose Masse verschwimmen. Bei Marias Schlussszene offenbart sie nicht nur unter ihrer schwarzen Robe ein feuerrotes Kleid, sondern auch das Licht im Hintergrund in der unteren Ebene übernimmt den Feuerton, während Elisabetta in der Etage darüber in gleißendem weißen Licht ihre Unschuld zu beteuern versucht. Nicht ganz klar hingegen wird, wieso der dritte Akt in einer Art Kantine mit einem Getränkeautomat in Hintergrund gestaltet wird, an dem sich der Chor kurz vor der Hinrichtung freigebig bedient. Wenn Elisabetta zu Beginn des dritten Aktes mit ihrer Entscheidung, das Todesurteil zu unterzeichnen, hadert, laufen mehrere Kinderstatisten als Projektionen Marias über die Bühne, die zum einen zur Krone greifen, zum anderen Elisabetta in ihrer großen Arie lautstark verhöhnen, was musikalisch etwas störend ist, da es den musikalischen Fluss doch stark beeinträchtigt. Außerdem gewinnt man dadurch den Eindruck, dass es eher Marias Geister sind, die Elisabetta dazu bringen, Maria zum Tode zu verurteilen, und nicht Leicesters Gefühle für die Rivalin.

Bild zum Vergrößern

Marias (Olesya Golovneva, unten Mitte) fulminanter Abgang (oben Mitte: Elisabetta (Mary Elizabeth Williams))

Musikalisch sind kleinere Abstriche zu machen. Mary Elizabeth Williams verfügt als Elisabetta über einen dramatischen Sopran, der für die Partie stellenweise zu schwer ist. So überzeugt sie in der Mittellage durch ein volles und rundes Timbre, setzt die Höhen jedoch etwas scharf an und lässt in den schnellen Läufen die Beweglichkeit vermissen, was vor allem in ihrer Auftrittskavatine "Ah! quando all'ara scorgemi" deutlich wird, in der sie sich an ihre unerfüllte Liebe zu Roberto erinnert. Auch im dritten Akt wird ihre Stimme beim emotionsgeladenen "Quella vita, quella vita a me funesta", bei dem sie sich selbst Mut zuspricht, Marias Todesurteil zu unterzeichnen, an einigen Stellen sehr schrill. Laimonas Pautienius legt den intriganten Lord Cecil darstellerisch absolut diabolisch an, könnte stimmlich jedoch noch finsterer agieren. Keine Wünsche offen lässt Giovanni Furlanetto als Marias Vertrauter Talbot. Furlanetto begeistert mit markantem und sauber geführtem Bass, wenn er Leicester Marias Brief und Porträt übergibt und im dritten Akt Maria die Beichte abnimmt. Gianluca Terranova meistert die Partie des Leicester, der zwar keine eigene große Arie im Stück hat, aber dennoch viel mit teilweise extremen Höhen zu singen hat, überzeugend, auch wenn er in den Höhen ein wenig forcieren muss. Ansonsten lässt er seinen Tenor in strahlendem Glanz fließen.

Olesya Golovneva gestaltet die Titelpartie mit enormer Bühnenpräsenz und großartigem Sopran. Bei ihrer Auftrittskavatine "O nube, che lieve", wenn sie eigentlich ihren Kerker verlässt, um im Park spazieren zu gehen, und die Schönheit der Natur preist, bietet sie Belcanto vom Feinsten mit mädchenhaftem Gesang und strahlenden Koloraturen, während sie in der Auseinandersetzung mit Elisabetta zu einer regelrechten Furie mutiert, was verständlich macht, dass Elisabetta sich dieser Rivalin entledigen muss. Bewegend gestaltet Golovneva das große Beichtduett mit Furlanetto im letzten Akt, und ihre furiose Abschiedsarie "Ah! se un giorno da queste ritorto", mit der sie sich vor ihrem Tod noch einmal an Leicester wendet, stellt in der Aufführung einen musikalischen Höhepunkt dar. Die Duisburger Philharmoniker setzen unter der Leitung von Lukas Beikircher mit präzisen Tempi Donizettis emotionsgeladene Musik ausdrucksstark um. Der von Gerhard Michalski einstudierte Chor der Deutschen Oper am Rhein begeistert vor allem beim fulminanten Eingangschor im dritten Akt. Im ersten Akt müssen noch kleinere Unsicherheiten bei den Tempi behoben werden. Der Applaus ist, gemessen an einer Premiere, heftig aber kurz.

FAZIT

Nicht alles ist nachvollziehbar in Guy Joostens Inszenierung. Insgesamt bietet der Abend solide Opernkost, die jedoch wahrscheinlich nicht lange im Gedächtnis bleiben wird.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lukas Beikircher

Inszenierung
Guy Joosten

Bühne
Roel van Berckelaer

Kostüme
Eva Krämer

Chor
Gerhard Michalski

Licht
Stefan Bolliger

Dramaturgie
Bernhard F. Loges

 

Duisburger Philharmoniker

Chor der Deutschen Oper am Rhein

Statisterie der Deutschen Oper am Rhein

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Maria Stuarda
*Olesya Golovneva 

Elisabetta I.
*Mary Elizabeth Williams /
Serena Farnocchia /
Sarah Ferede

Anna Kennedy
Maria Boiko

Roberto, Conte di Leicester
*Gianluca Terranova /
Giulio Pelligra

Lord Guglielmo Cecil
Laimonas Pautienius

Giorgio Talbot
Bogdan Talo
ş /
*Giovanni Furlanetto

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2017 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -