"Hans Heiling": Aalto-Musiktheater brilliert mit modernem Bergbau-Märchen

25. Februar 2018 - 12:34 Uhr

Essen – Am 21. Dezember wird die Bottroper Zeche Prosper Haniel schließen, das letzte aktive Steinkohle-Bergwerk in Deutschland. Ein Markstein im Schicksal dieser Region, deren Identität sich lange Zeit über die Kohle und die Schwerindustrie definierte. Das Essener Aalto-Theater hat dies zum Anlass genommen, eine Oper auf die Bühne zu bringen, die vom Bergbau handelt. Am Samstagabend feierte das Stück eine gelungene Premiere.

"Hans Heiling"

"Hans Heiling"

Der romantische Komponist Heinrich Marschner schrieb selbst das Textbuch zu seiner 1833 uraufgeführten Oper "Hans Heiling" nach einer alten böhmischen Sage, deren Titelheld der König der Erdgeister ist, den es mit Macht hinauf in die Welt drängt, um ein normales Menschenleben zu führen.

Regisseur Andreas Baesler verlegt das märchenhafte Geschehen konsequent ins Ruhrgebiet in die Zeit der frühen 1960er Jahre. Im Prolog thront ein mächtiger Schreibtisch nebst Tresor auf Harald B. Thors holzvertäfelter Bühne, die auf die Essener Villa Hügel der Krupp-Dynastie verweist. An der Wand wird im Halbdunkel ein Kohleflöz sichtbar, in dem sich der Chor mit Grubenlampen mechanisch bewegt.

Im ersten Akt wird ein kühl eleganter Wohnraum hereingeschoben, der jenen mysteriösen Bungalow zitiert, den sich der Krupp-Erbe Alfried in den riesigen Park des Anwesens baute, um der hochherrschaftlichen Villa zu entfliehen. Später spielt das Tanzfest der Märchenoper in einer Waschkaue, die an Pact Zollverein erinnert, und danach geht ein wehmütiges Raunen durchs Publikum, wenn der einstige "Große Blumenhof" des Essener Grugaparks angedeutet wird.

Regisseur Baesler gelingt es schlüssig, die Geschichte des Königs der Erdgeister, der unbedingt die sterbliche Anna heiraten will, auf die Geschichte der Krupp-Familie zu übertragen, deren Erbe Alfried wie der Titelheld der Oper unter den Anforderungen seiner Dynastie litt.

Liebevoll und reich an authentischen Details rekonstruieren Thors Bühnenbild und Gabriele Heimanns Kostüme die Aura jener großen Zeit der Kohleförderung, ohne sie unnötig zu verklären. Die gesprochenen Dialoge wurden von Hans-Günter Papirnik in kerniges Ruhrdeutsch übertragen, was sich erstaunlich gut mit dem altertümelnden Text des Librettos verträgt. Baeslers Personenregie ist wunderbar präzise und sorgt für viel Bewegung auf der Bühne, ohne in Aktionismus zu verfallen.

Marschners Partitur ist hinreißend farbig und quillt schier über von melodischen Einfällen. Der Komponist wurde von der Musikwissenschaft oft nur als Vorläufer von Richard Wagner abgeheftet, was ihn jedoch deutlich unterschätzt. Frank Beermann am Pult der Essener Philharmoniker setzt sich vehement für das Werk ein und holt ein Maximum an Differenzierung und Dramatik aus der Partitur heraus.

Das Sänger-Ensemble glänzt mit einer geschlossenen Leistung, allen voran Jessica Muirhead als Anna mit strömend leuchtendem Sopran, gefolgt von Heiko Trinsingers eindrücklicher Verkörperung des zerrissenen Titelhelden. Jeffrey Dowd als Annas Geliebter Konrad könnte noch kraftvoller klingen, Rebecca Teem gibt der dominanten Mutter Hans Heilings angemessene Würde und vokale Intensität. Und das originale Bergwerksorchester Consolidation sorgt am Ende noch für einen Hauch Sentimentalität. Das Publikum feierte die Premiere mit großem Applaus.

(Von Constanze Schmidt, dpa/MH)

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