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Schmetterling im Geisterhaus

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Puccinis "Madama Butterfly" ist in Kassel ein etwas kryptischer Opernabend.

Die irische Sopranistin Celine Byrne hat mit hoher Stimmkultur und ätherischem Wohlklang schon in Kassel beeindruckt. Zum Beispiel als Marietta in Erich Wolfgang Korngolds Oper „Die tote Stadt“. Schade, dass sie nun vor der Premiere von Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ erkrankte. Byrne agierte stumm mit darstellerischer Grandezza, während die kurzfristig verpflichtete Soojin Moon am Bühnenrand die Titelpartie sang – ausdrucksstark, markant besonders in tiefer Tonlage.

Die Erkrankung der Hauptsängerin hatte zur Folge, dass nun gleich drei Protagonistinnen als Cio-Cio-San zu erleben waren. Denn Regisseur Jan-Richard Kehl, der vor Probenbeginn die Inszenierung von dem aus persönlichen Gründen verhinderten Lorenzo Fioroni übernommen hatte, spaltet die Partie der unglücklich liebenden Japanerin bereits in zwei Darstellerinnen auf. Die eine Butterfly erinnert sich fantasierend an das tragische Geschehen, die andere ist eine stumm spielende jugendliche Seele (Jessica Kirstein).

Laut Kehl wird die Oper als „fernöstliche Geistergeschichte“ gelesen – eine faszinierende Idee, ist der Geisterglaube doch fest verankert in der japanischen Kultur. Traumartig, unheimlich die Optik (Bühne: Ralf Käselau; Kostüme: Annette Braun). Ein unwirtliches Geisterhaus, ohne Innenwände, mit Türen, die sich teilweise von selbst öffnen, bevölkert von bizarrem Personal wie der gespensterhaft bleichen Dienerin Suzuki (packend, berührend: Marta Herman). Nachdem die sich erinnernde Butterfly das Aussehen einer schicken US-Lady der vierziger Jahre hat, verwandelt sie sich im zweiten Akt in ein greisenhaftes Geschöpf.

Kehl erzählt von privater wie historischer Traumatisierung. Bei Puccini ist die Handlung um 1900 angesiedelt, auf einem Hügel oberhalb von Nagasaki, jener Stadt, über der 1945 eine amerikanische Atombombe explodierte. Die Inszenierung deutet das verheerende Ereignis an. Ja, die Anspielungen auf den Atombombenabwurf wie ein Video mit der Plutoniumbombe „Fat Man“ mögen sogar ein Schlüssel für die Dechiffrierung des rätselhaften Bühnengeschehens sein.

Und kryptisch ist die Inszenierung über weite Strecken. Dazu gehört die innige Beziehung zwischen Butterfly und Suzuki – vielleicht besteht die wahre Liebe nicht zwischen der Titelheldin und dem Amerikaner Pinkerton, sondern zwischen den beiden Frauen. Alles keine uninteressanten Spekulationen. Man kann nur hoffen, dass sich in den weiteren Vorstellungen, mit der gesundeten Celine Byrne, die Intensität des Kammerspiels weiter verstärken wird.

Angesichts der Premierenumstände ist die Souveränität des Dirigenten Joakim Unander umso mehr zu würdigen, es gibt einen klar konturierten Puccini-Klang. Überzeugend die sängerischen Darbietungen neben Soojin Moon und Marta Herman: Merunas Vitulskis singt einen strahlenden Pinkerton, Hansung Yoo ist ein herrlich timbrierter Konsul Sharpless.

Staatstheater Kassel: 22., 30. Dezember. www.staatstheater-kassel.de

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