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Hundings Loft

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Die Walküre
Nancy Weißbach (Brünnhilde) und Egils Silins (Wotan). © N. Klinger

Zwischen Intimität und Routine: Kassels „Ring“ erreicht die „Walküre“.

Zwei Paare beherrschen die „Walküre“, den zweiten Teil von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“. Das fällt erst recht in Kassel auf, wo Siegmund und Sieglinde, Brünnhilde und Wotan über die Zweifel erhaben sind, die man an Markus Dietz’ Inszenierung haben kann. Jedenfalls vertreten sie die starke Seite der Unternehmung, die menschliche, die der Oberspielleiter des Staatstheaters klug nach vorne schiebt. Auch buchstäblich, indem der Steg um den Orchestergraben Schauplatz wird. Zugleich ist es, als würde Dietz der Kraft seines Personals ein wenig misstrauen: Lebhaft die zusätzliche Bebilderung.

Statisten stehen als Hundings Mannen laut auflachend und feixend im Hintergrund. Am Anfang fallen sie in einer Rückblende über die kleine Sieglinde her, starker Einfall, die ersten, nervösen Takte nicht für Siegmunds, sondern Sieglindes Alptraum zu nutzen. Sie haben ferner einen lieben Hund dabei, der viele Leckerlis bekommt. Die tote Maid aus Siegmunds jüngstem Desaster wird hereingetragen und später unglücklich zur Seite gelegt. Neonleuchten gehen an und aus, Bühnenteile heben, senken sich. Alles (das meiste) bleibt geschmackssicher, dezent. Aber wer große runde Ringe mag, kommt nicht recht auf seine Kosten.

Das große Neon-W ist aus dem „Rheingold“ wohlbekannt. Mayke Hegger, die die Bühne für die „Walküre“ und die „Götterdämmerung“ gestaltet, hat es von Ines Nadler („Rheingold“, „Siegfried“, eine vielleicht pragmatische Aufteilung) übernommen. Gut, dass Wagner den Buchstaben so mag. Walhall selbst wirkt im zweiten Akt ramponiert, die Gerüstverkleidung gerupft, wohingegen Hundings Hütte mit weißen Einbaumöbeln schick ausgestattet ist. Oben in der Wand steckt Notung, das Schwert. Das Zimmer, also natürlich der Baum ist gewachsen, seit Wotan die Waffe platzierte. Siegmund kann sie so klassisch herausziehen, wie es selten zu sehen ist.

Unbegreiflich, wie ein Landei aus Vorzeiten zu solcher Innenarchitektur kommt. Hunding, der machtvoll schön singende Yorck Felix Speer in markigem Pechschwarz, lässt sich den mondänen Lebensstil jedenfalls nicht anmerken. Siegmund, blutüberströmt, macht auch sofort alles schmutzig, inklusive Sieglindes Kleid weiß wie Schnee. Er, Martin Iliev, mit etwas beengt wirkendem, bei den Wälse-Rufen jedoch zu Größe und Breite gelangendem Tenor; sie, Nadja Stefanoff, eine leidenschaftliche Darstellerin mit einer – aus Mainz vertrauten – hochkultivierten, beweglichen Stimme. Er tapsig, sie sofort fasziniert. Das Herausziehen Notungs ist eine erotisch aufgeladene Szene. Intimität wird ohne Verlegenheit und Peinlichkeit vermittelt.

Ein überzeugendes Pendant findet das im nächsten Akt, wenn zwischen Vater und Tochter kein Blatt Papier geht. Er, der spät in die Produktion gesprungene Egils Silins, ein mühelos großer, die Bühne beherrschender Wotan mit ausgezeichneter Kondition; sie, Nancy Weißbach, eine klangschöne, sichere, sympathische Brünnhilde. Aber auch Ulrike Schneiders Fricka, eine hervorragende Besetzung aus dem Ensemble, ist keine dumme Kuh, hat eigene Träume, und ihr Widderwagen ist ein Motorrad, das spektakulär auf die Bühne tuckert (dort aber vorerst stehenbleiben muss, kleiner, nicht untypischer Kompromiss). Ihr Geplänkel mit Wotan: keine Spur von Langeweile.

Wenig intim die Idee, Brünnhilde vom Rang aus Siegmund erscheinen zu lassen – dass hingegen Sieglinde aufwacht und ihm Fragen einflüstert: anregend, sehenswert. Die prächtig singenden Walküren, nicht die ersten und letzten in Abendgarderobe (Kostüme: Henrike Bromber), sind die dominahaften Dompteusen der hündischen Helden. Das fördert die aufgeregte Lachlust einiger Herrschaften, ist allerdings mit diesem Wotan und dieser Brünnhilde in keine Verbindung zu bringen. So schwankt Dietz zwischen Innigkeit und Routine, Intensität und Halbgarem.

Das Interesse geht allerdings bisher nicht verloren. Das ist von den guten Akteurinnen und Akteuren nicht zu trennen, auch nicht von dem großartig aufgelegten Orchester unter der Leitung von Francesco Angelico. Zu hören ist dauerhaft eine Detailliertheit, die den schönsten Momenten der Inszenierung entspricht.

Staatstheater Kassel: 16., 23., 31. März, 13., 28. April. „Siegfried“-Premiere am 14. September. www.staatstheater-kassel.de

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