1. Startseite
  2. Kultur

Edita Gruberova: Die Königin dankt ab

KommentareDrucken

Letzter Vorhang für Edita Gruberova: Mit der Elisabetta in „Roberto Devereux“ beendete sie ihre 51-jährige Opernkarriere.
Letzter Vorhang für Edita Gruberova: Mit der Elisabetta in „Roberto Devereux“ beendete sie ihre 51-jährige Opernkarriere. © Foto: Wilfried Hösl

58 Minuten Ovationen, ein Rosenregen und eine erstaunlich gefasste Assoluta: Mit ihrer Lebensrolle als Elisabetta sagt Edita Gruberova der Opernbühne Addio.

München - Allein die Nervenbelastung. Noch vor dem ersten Ton, nach dem energisch stöckelnden Auftritt als Herrscherin im eng gepanzerten Maggie-Thatcher-Kostüm, schon die erste Ovation. Wie um Himmels willen da den Opernabend durchstehen? Den letzten einer 51-jährigen, unvergleichlichen Karriere. Doch auch das unterscheidet Edita Gruberova eben vom Rest der Gesangswelt. Auch diese Dernière mit Donizettis „Roberto Devereux“ wird durchgezogen, mit einer professionellen Intensität, die viel von ihrer Bodenhaftung verrät.

Mit Transparenten waren die treuesten Fans ins Nationaltheater gekommen.
Mit Transparenten waren die treuesten Fans ins Nationaltheater gekommen. © Foto: Thiel

Vor einer Woche hatte die Bayerische Staatsoper das Datum bekannt gemacht. Dieser 27. März sollte der letzte Opernauftritt der 72-jährigen Primadonna assoluta sein. Verlassen hat die Gruberova das Haus erst am 28. März. Nach ohrenbetäubenden Ovationen, Rosenblattregen, 58 Minuten Applaus, Trampeln auch von den Kollegen Charles Castronovo (Roberto), Silvia Tro Santafé (Sara), Vito Priante (Nottingham) sowie Dirigent Friedrich Haider, Transparenten auf den Rängen und im Parkett, einem Dutzend Blumensträußen, einer Ansprache von Intendant Nikolaus Bachler, einer internen Feier plus schier unzähligen Autogrammwünschen an der Bühnenpforte.

Mit der Elisabetta wurde sie zum Belcanto-Gesamtkunstwerk

Als Königin (der Nacht) war die Gruberova 1974 in München erstmals angetreten, als Königin (Elisabetta) sagte sie nun der Opernwelt Addio – die sie 1968 in der slowakischen Heimat Bratislava als Rossinis Rosina betreten hatte. Dazwischen liegen tausende Auftritte, allein 308 im Münchner Nationaltheater, 52 davon als alternde, an Herrschaft und Leben verzweifelnde britische Regentin in „Roberto Devereux“ – in jener Partie also, die zu ihrer Lebensrolle werden sollte. Weil sie dank Regisseur Christof Loy 2004 endgültig die Schwelle zum Belcanto-Gesamtkunstwerk überschritt, zu einer singulären Durchdringung von Gesang und Darstellung. Viel hat die Gruberova in dieser Produktion  von  sich  zugelassen, von sich preisgegeben. Das Ergebnis auch an diesem ultimativen Abend ist ein so verstörendes wie berührendes Rollenporträt, naturgemäß mit feinerer Schraffur gezeichnet als bei der Premiere.

„Die Zeit ist gekommen“, sagte Edita Gruberova während einer kurzen Zeremonie. „Es bleibt mir zu danken, dass sie zu mir so benevolent waren. Es ist, als ob man eine ganz große Familie verlassen würde, aber alles und alle bleiben in meinem Gedächtnis und in meinem Herzen. Es war sehr, sehr schön, es war wunderbar, und es war genug.“

Als Andenken bekam sie die Königinnen-Krone

Zuvor hatte Bachler von einem „historischen Moment“ gesprochen. Es sei „ein ganz großes Glück für die Stadt und für uns alle“, dass Edita Gruberova München so lange treu geblieben sei. Nicht nur Blumen überreichte der Intendant der Belcanto-Königin, sondern auch die Krone der Elisabetta aus „ihrer“ Donizetti-Inszenierung.

Die Gruberova mag zwar die Opernbühne verlassen haben, auf dem Konzertpodium will sie aber vorerst weiter präsent sein – zum Beispiel mit einem Liederabend am 7. April im Herkulessaal. Auch Meisterkurse wird die Assoluta geben. Sie, die früher eine pädagogische Tätigkeit für sich ausgeschlossen hatte – „weil ich so ungeduldig bin“. Ihr Terminplan, der von den treuesten Fans im Internet stetig aktualisiert wird, sieht Auftritte vorerst bis zum 20. Dezember vor, bis drei Tage vor ihrem 73. Geburtstag also.

Erst nach 58 Minuten Ovationen gab das Publikum Ruhe.
Erst nach 58 Minuten Ovationen gab das Publikum Ruhe. © Foto: Hösl

Das 50. Opernjubiläum war ihr extrem wichtig. Das wollte die Sopranistin, wie sie im persönlichen Gespräch immer wieder betonte, unbedingt feiern. Ihren Fans und sich hat sie sogar eine einjährige Zugabe gegönnt. Nun werde sie doch von Nostalgie übermannt, wie Edita Gruberova nach ihrem letzten Auftritt in der Rede gestand. Eine Königin dankt ab. Und das doppelt Schlimme: Es gibt keine Thronfolgerin.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!