THE TEMPEST

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Staatsoper
9. Mai 2024

Dirigent: Thomas Adès

 

Prospero - Adrian Eröd
Ariel - Caroline Wettergreen
Miranda - Kate Lindsey
Caliban - Frédéric Antoun
Trinculo - James Laing
Ferdinand - Hirosho Amako
König von Neapel - Toby Spence
Antonio - Daniel Jenz
Stefano - Dan Paul Dumitrescu
Sebastian - Michael Arivony
Gonzalo - Wolfgang Bankl

Adès-Portal

„Wiederaufnahme
(Dominik Troger)

„The Tempest“ von Thomas Adès zählt zu den erfolgreicheren Schöpfungen des zeitgenössischen Musiktheaters. Das Werk wurde jetzt nach neunjähriger Absenz für vier Vorstellungen wieder in den Staatsopern-Spielplan aufgenommen.

Die Wiener Staatsoper hat in dieser Saison mutig die „Moderne“ für sich entdeckt: „Le grande macabre“, „Animal Farm“, die geplante Wiederaufnahme von Aribert Reimanns „Medea“ ist allerdings Besetzungsproblemen zum Opfer gefallen. Im Vergleich zu den drei genannten Werken nimmt sich „The Tempest“ geradezu „zahm“ aus. Adès liefert mit seiner Oper eine pragmatisch auf die Anforderungen der Bühne ausgerichtete Shakespeare-Bearbeitung, der nur die sopranluftigen Koloraturen des Ariel ein paar avantgardistische Tupfer aufsetzen. Vor „The Tempest“ muss sich also niemand fürchten.

Die Inszenierung von Robert Lepage hat das Geschehen – warum auch immer – in einem Opernhaus angesiedelt und bleibt bis auf ein einige, Ariel betreffende Effekte, bei denen meist ein großer Luster die Hauptrolle spielt, konventionell. Prospero wandert wie ein exotischer „Wotan“ mit einem langen Holzprügel bewaffnet über die Bühne und reift dabei wieder zum „Menschen“. Wenn er am Schluss des zweiten Aktes erkennen muss, dass die Liebe seiner Tochter zu Ferdinand stärker ist, als seine Zauberkräfte, wird der verzeihenden Rückkehr Prosperos in die Zivilisation die Bahn bereitet.

Adrian Eröd hat den Prospero schon in der Staatsopern-Erstaufführung im Juni 2015 gesungen – und die neun Jahre haben den philosophisch-grüblerischen Zug, den er diesem „wilden“ Inselherrscher angedeihen lässt, eher noch verstärkt. Ein Hauch von Melancholie umwehte diesen Prospero, ein Hauch von Abschiednehmen, ein Hauch von Erinnerung an frühere Zeiten – und da passte dann ein kurzer, irritierender Anflug von Heiserkeit im dritten Akt sogar dazu: ein Memento mori, das Prosperos Rückkehr zu den Menschen noch verständlicher macht, weil ihm die Einsamkeit im Alter vielleicht doch zur Qual werden könnte. Im Herbst 2015 hat Christopher Maltman den Prospero naiver, aber auch kämpferischer angelegt. Seither wurde das Werk nicht mehr gespielt, auf acht Vorstellungen folgte eine Pause von neun Jahren.

Eröds Prospero war eine Säule des Abends, die andere steuerte Kate Lindsey als Miranda bei, die sich von Liebe geleitet gegen ihren rachedurstigen Vater stellt. Bei Lindsey wurde sogar ein bisschen Shakespeare greifbar, wenn sie mit wortbezogen eingesetztem Mezzo für starke Bühnenmomente sorgte. Von der übrigen Besetzung konnten nur mehr Daniel Jenz als Antonio mithalten, der seinen Part mit etwas nüchterner, aber gut geführter Stimme bewältige – und Caroline Wettergreen, die sich mit viel Energie und Überzeugungskraft dem sich an der Grenze zur Unsingbarkeit entlangtastenden Ariel widmete.

An Tenören ist im „Tempest“ kein Mangel, aber gerade bei Ferdinand (Hiroshi Amako), Mirandas Auserwähltem, hätte man als Zuhörer gerne eine schmelzreicheren und mit mehr stimmlichem Aplomb agierenden Liebhaber genossen. Frédéric Antoun blieb der Figur des Caliban ihre hintergründige Gefährlichkeit weitgehend schuldig, weil sein Tenor mit zu einheitlicher Farbe malte. Toby Spence hat in der Uraufführung am Royal Opera House vor zwanzig Jahren den Ferdinand gesungen, inzwischen ist sein heller Tenor zum König gereift – und kann die Spuren einer langer Karriere nicht ganz verhehlen. Den Countertenor steuerte James Laing bei, aber das ist nur eine kurze Partie. Als Gonzalo war Wolfgang Bankl mit der ihm üblichen nachdrücklichen Charakteristik unterwegs, Dan Paul Dumetrescu konnte die seit der Premiere verflossene Zeit auch nicht ganz vergessen machen, und Michael Arivony positionierte den Sebastian mit ausreichender Präsenz im Beziehungsgeflecht der Hofgesellschaft.

Am Pult stand wieder der Komponist, was dem Abend zwar einen gewissen Reiz verlieh, aber – wie schon in der Premierenserie – für meinen Geschmack die klanglichen Möglichkeiten des Orchesters zu wenig ausschöpfte. Thomas Adès musikalische Leitung transportierte mehr den nüchtern „timbrierten“ intellektuellen Genuss, reizte die Farbenpalette des Staatsopernorchesters nicht wirklich aus, vielleicht wollte er „süffigen Romantizismen“ aus dem Wege gehen?

Die Oper dauert inklusive einer längeren Umbaupause und einer Pause nach dem zweiten Akt knapp über zweieinhalb Stunden. In dieser „Lichtpause“ nach dem ersten Akt mussten zumindest die Billeteure auf der Galerie dem stark touristisch durchsetzten Publikum erst klar machen, dass noch keine „break“ sei. Umbaupausen werden von einem Teil des Publikums offenbar nicht mehr als solche erkannt?! Der starke Schlussapplaus lag bei rund acht Minuten, den meisten Applaus gab es für den Dirigenten und Komponisten in Personalunion.