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Der Abschied naht: Krassimira Stoyanova (als Marschallin) und Günther Groissböck (als Ochs).

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Sophie Koch (Octavian), Mojca Erdmann (Sophie) und Krassimira Stoyanova (Marschallin).

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Salzburg - In jenem fernen Wien, das von der nahenden Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs nichts zu ahnen scheint, herrschen Melancholie und gesittete Annäherung unschuldiger Herzen. Nur zu Ende des zweiten Rosenkavalier-Aktes, wenn Baron Ochs auf Lerchenau von Annina jenen Brief erhält, der ihm ein Techtelmechtel verheißt, gönnt sich Regisseur Harry Kupfer eine Bettszene.

Mit Annina hat selbige kaum etwas zu tun; sie ist den eher autoerotischen Anwandlungen des Briefempfängers zu danken: Es reißt sich dieser von herblassend-kultivierten Manieren zusammengehaltene, aufgeblasene Don Juan das Hemd vom Leib, vergnügt sich mit einem Polster und zeigt, dass hinter einer derben Charakterfassade ein recht verzweifelter Narziss schlummert. Er wird in einer Schenke dann auch sein heiter-gruseliges Waterloo erleben, sich entnervt das Toupet vom Kopf reißen - bis ihn die Marschallin gleichermaßen zähmt wie letztlich auch wieder aufrichtet.

Qualität der Figur

Der Ochs ist jene Figur, in die sich die Regie - dank der Qualitäten von Günther Groissböck - besonders vertieften konnte. Dessen Intensität und die kultivierte Art, die Nöte des Schwerenöters zu transportieren, macht Groissböck zum Zentrum der Aufführung. Die ungestrichene Werkfassung eröffnet offenbar auch die Möglichkeit, einmal eine vitale Figur zu entwickeln, die nichts Obelixhaftes an sich hat, nichts von aufgedunsener Konvention.

Dieser Ochs verfügt noch über juvenile Strahlkraft. Dass er jedoch in kritischen Momenten zum Seicherl wird, auch das zeigt Kupfer witzig: Da führt schon ein von Octavian zugeworfener Degen vermeintlich zur Verletzungskatastrophe. Herrlich lächerlich die Folgen dieser "Attacke", die Sophie Koch (nobles Timbre, starke vokale Präsenz als Octavian) ausführt.

Schwebende Szenefolge

Rund um Groissböck herrscht dann vor allem aber ein gediegenes Spiel mit Konventionen in eleganten Räumen, deren Ausgestaltung den Erzählfluss fördert. Vor Schwarz-Weiß-Fotos, die ums Riesenrad, Wiener Innenstadtarchitektur, Palmenhaus und schließlich vernebelte Praterlandschaften kreisen, stehen - Skulpturen gleich - Türen, Spiegel und Ausschnitte von Jugendstilwänden als architektonische Andeutungen (Bühnenbild: Hans Schavernoch).

Bei Szenenwechseln scheinen sie förmlich wegzuschweben oder sich neu zu gruppieren, was nicht nur eine eigene Musikalität entfaltet. Es begleitet auch den Wechsel von Wehmut zur Komik und zurück auf dramaturgisch delikate Weise. Es wird die Marschallin aus ihren staunenden Zeitbetrachtungen (mit großer vokaler Wärme und luxuriöser Linienführung Krassimira Stoyanova) sanft geweckt. Und virtuos darf bei Herrn von Faninal (prägnant Adrian Eröd) der Skandal seinen Lauf nehmen, bis es im Finale zum quasi motorisierten Abschied kommt: Die Marschallin lässt Octavian und Sophie (leider von eher schüchterner vokaler und szenischer Präsenz Mojca Erdmann) auf einer Parkbank zurück und steigt zu Herrn von Faninal ins Luxusauto, um ihn zu besänftigen.

Intimer Edelklang

Die kurzweilige szenische Erzählung wird indes durch die orchestrale Seite der Produktion zur Besonderheit dieses Salzburger Sommers: Dirigent Franz Welser-Möst schafft die Balance zwischen straffen Tempi, einer nie überzuckerten Darstellung der Partitur und jenen Momenten des Innehaltens delikat, an denen die Zeit walzerselig gleichsam zum Stillstand kommt.

Der philharmonische Klang entfaltet sich kammermusikalisch. Gleichzeitig jedoch liefert er unentwegt auch all die aphoristischen Farb- und Motivinterventionen mit pointierter Klarheit. Dass das Orchester höher gesetzt ist als gemeinhin üblich, ermöglicht eine jederzeit intime Diktion, ohne dass deren Präsenz in diesem Riesenraum leidet. Wobei es bei Richard Strauss mitunter nicht ohne Extrovertiertheit geht, was die Sänger dann auch ein bisschen zu spüren bekamen. Berechtigter Applaus jedoch für alle. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 4.8.2014)