Beethovens "Fidelio"

Eine Oper als Problemfall

Ludwig van Beethoven wurde am 17.12.1770 in Bonn geboren.
Das Libretto von Ludwig van Beethovens einziger Oper "Fidelio" galt schon bei seinen Zeitgenossen als problematisch. © picture-alliance / dpa
Von Uwe Friedrich · 28.09.2014
Den "Fidelio" mit möglichst wenig Originaltext zu präsentieren, ist eine gute Idee. Mehr ist Jakob Peters-Messer in seiner Bonner Inszenierung leider nicht eingefallen. Ludwig van Beethovens unentschiedene Oper bleibt ein Problemfall.
Schon den Zeitgenossen galt das Libretto zu Ludwig van Beethovens einziger Oper "Fidelio" als äußerst problematisch. Hehre Prinzipien von Pflicht und Gattenliebe werden verhandelt, die Figuren bleiben dabei blass und leblos. Zudem ist der gesprochene Text zwischen den zweifellos grandiosen Musiknummern lang, umständlich und literarisch wenig überzeugend.
Immer wieder ist der Text deshalb bearbeitet worden, behalf man sich mit neuen Dialogen oder einem hinzugefügten Sprecher. Beethoven und seine Librettisten Joseph Sonnleithner und Georg Friedrich Treitschke konnten sich außerdem nicht zwischen den Operngenres entscheiden, sodass die Partitur als harmloses Singspiel beginnt, einen Umweg über die Revolutionsoper nimmt und schließlich als Oratorium endet.
Für seine Bonner Inszenierung hat der Regisseur Jakob Peters-Messer sich entschieden, die Originaltexte auf ein Minimum zusammen zu kürzen, wofür er entschieden zu loben ist. Dadurch allein wird "Fidelio" aber nicht interessanter. Weil Beethoven versäumt hat, seinen Figuren Tiefenschärfe zu verschaffen, muss der Regisseur eine Haltung zu den Problemen des Stücks einnehmen.
Fehlende künstlerische Argumente
Was reizt Marzelline an dem vermeintlichen Mann Fidelio? Wie reagiert die verkleidete Leonore auf die Avancen der jungen Frau, steckt sie doch in dem Dilemma, ihre Verkleidung nicht aufgeben zu können und Marzelline nicht enttäuschen zu wollen – oder ist ihr das egal? Was wird zum Schluss aus Jacquino, der sich Hoffnung auf Marzelline machte? Und die Hauptfrage: Was treibt Leonore an, sich in Lebensgefahr zu begeben? "Die Pflicht der treuen Gattenliebe", heißt es im Libretto – was soll das heute noch bedeuten?
Doch Jakob Peters-Messer arrangiert bloß die handelnden Personen, zunächst vor dem Proszenium und auf einem Spielsteg vor dem Orchestergraben, später auch auf der Hauptbühne, wo eine Treppen- und Neonröhreninstallation von Guido Petzold Gefängnisatmosphäre verbreiten soll. Die Kostüme sind zeitlos, ein Stapel Schuhe am Bühnenrand verweist auf Vernichtungslager, zum Schluss trägt der Chor Kostüme aus der Zeit der französischen Revolution. Unterdessen kreiselt die Drehbühne kreiselt auf offener Bühne, sodass alle Sänger aus akustischen Gründen gut beraten sind, sich möglichst nah an der Rampe aufzuhalten, damit der Gesang überhaupt kraftvoll im Saal ankommt.
Das gelingt vor allem Yannick-Muriel Noah als Fidelio und der hinreißenden Nikola Hillebrand als Marzelline sehr gut, während der Tenor Christian Juslin zu sehr auf reine Kraft setzt, was sich bereits in den ekstatischen Ausbrüchen seiner großen Arie rächt. Dirigent Hendrik Vestmann setzt mit dem Beethoven-Orchester auf einen rustikalen Pauschalton, der bei Beethoven immer Eindruck macht und gegen den prinzipiell auch nichts einzuwenden ist – ein bisschen genauer hätten wir aber auf allen Ebenen gerne gewusst, ob das Bonner Theater außer den bereits erwähnten Traditions- und Tourismusgründen auch noch künstlerische Argumente hat, dieses Werk auf die Bühne zu bringen.

Fidelio
Oper in zwei Aufzügen von Ludwig van Beethoven
Regie: Jakob Peters-Messer
Musikalische Leitung: Hendrik Vestmann
Opernhaus des Theaters Bonn

Mehr zum Thema