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Oper „Lotario" bei den Händel-Festspielen: Kammerspiel der großen Gefühle

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Verwickelte Beziehungen: Sophie Rennert als Lotario (oben) und Marie Lys als Adelaide in der Barockoper „Lotario“. Foto: Alciro Theodoro da Silva
Verwickelte Beziehungen: Sophie Rennert als Lotario (oben) und Marie Lys als Adelaide in der Barockoper „Lotario“. Foto: Alciro Theodoro da Silva © -

Göttingen. Volltreffer: Die überzeugend dargebotene Oper „Lotario" bei den Internationalen Händel-Festspielen.

Ein Machtkampf tobt. Wer wird gewinnen? In der Oper „Lotario“, bei den Internationalen Händel-Festspielen in Göttingen am Deutschen Theater, bekommt der Schwächste die Krone und will sie nicht. In Händels Opus dominieren die Frauen.

Die Handlung ist verstrickt und einfach zugleich: Berengario will die Stadt Pavia einnehmen. Dort regiert Adelaide. Ihren Mann hat Berengario vergiftet. Der deutsche König Lotario will Adelaide helfen, er liebt sie und wünscht sich Gegenliebe. Ohne Hoffnung liebt sie auch Idelberto, Sohn von Berengario und Matilde. Mit einer Verbindung der beiden wollen diese sich die Herrschaft in Pavia sichern. In dem Machtgerangel siegt Lotario und damit Adelaide, sie will Lotario ihr Ja-Wort geben und gewinnt dadurch ihr Reich zurück. Die Herrschaft schenkt sie Idelberto. Ein Kammerstück der großen Gefühle.

Regisseur Carlos Wagner hat dafür wunderbare Bilder gefunden und gemeinsam mit Lichtdesigner Guido Petzold gestaltet. In einem Vorspiel in Bildern wird erzählt, wie Berengario den Mann Adelaides vergiftet. Keine Schlacht wird im Bühnenbild von Rafail Ajderpasic geschlagen. In Gemälden wird der Krieg gegenwärtig. In Zusammenarbeit mit dem Göttinger Butoh-Tänzer Tadashi Endo hat Alexander Fend eine ausdrucksstarke Choreografie entworfen.

Händels Kunstgriff, seinen Figuren mit eigenen Tonarten Charakter zu geben, unterstützt Ariane Isabell Unfried mit den in Bern gefertigten Kostümen – nach Bern geht die Inszenierung 2019. In der Begegnung mit Lotario lässt sich Adelaides Trauerkleid verführerisch raffen. Matilde trägt unter ihrem Rock Hosen, die sie auch im übertragenen Sinn anhat. In weißem Gewand wirkt Idelberto wie ein Baby. Als wollte er zurück in den Mutterleib kriechen, umklammert er Matildes Schoß.

Ohrenschmaus bietet das Göttinger Festspielorchester unter Leitung von Laurence Cummings. Die Verschlagenheit Matildes legt Ursula Hesse von den Steinen in ihren Mezzosopran von fast unglaublicher Weite. Mal säuselt sie lieblich, mal kann sie fast fauchen. Gradliniger und zuweilen sehr lyrisch gestaltet Sophie Rennert (Mezzosopran) Lotario. Sehr klangvoll gelingt nach fast vier Stunden das Duett mit Marie Lys alias Adelaide (Sopran).

Wer glaubt, Koloraturen seien Powerfrauen wie Adelaide vorbehalten, kann bei Jorge Navarro Colorado in der Rolle von Berengario (Tenor) den Beweis des Gegenteils hören. Unerwachsen, manchmal fast schmollend, gelingt Countertenor Jud Perry Idelberto. Wie ein Ruhepol wirkt Tedd Boyce im Bariton als Clodomira.

Es bleibt ein Rätsel, warum diese Oper nach der Premiere 1729 wieder verschwand und auch heute noch selten aufgeführt wird. Nicht aufhören wollte der Applaus im fast ausverkauften Haus.

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