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Krassimira Stoyanova: Gruß aus goldenen Opernzeiten

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Auch ohne PR-Getöse und Bling-Bling führt Krassimira Stoyanova eine Spitzenexistenz, hier beim Schlussapplaus im Großen Festspielhaus mit Juan Diego Flórez (re.) und Dirigent Marco Armiliato.
Auch ohne PR-Getöse und Bling-Bling führt Krassimira Stoyanova eine Spitzenexistenz, hier beim Schlussapplaus im Großen Festspielhaus mit Juan Diego Flórez (re.) und Dirigent Marco Armiliato. © Foto: Marco Borrelli/ Salzburger Festspiele

Unter den A-Klasse-Sopranistinnen ist sie derzeit die Vielseitigste, dabei war früher so etwas normal: Krassimira Stoyanova als Lucrezia Borgia in Salzburg

Salzburg - Zumutbar wäre das für diese Frau keinesfalls. Und: Wer will eine solche Vokalmonokultur wirklich erleben? Trotzdem sei das Gedankenexperiment riskiert: Schostakowitschs Lady Macbeth hätte sie singen können, Verdis Aida hat sie im Repertoire, Bergs „Wozzeck“-Marie traut man ihr zu, dazu Mozarts „Tito“-Vitellia, sogar eine von Reimanns „Lear“-Töchtern, kurz: In allen diesjährigen Salzburger Festspiel-Opern wäre problemlos Platz gewesen für Krassimira Stoyanova, die jetzt, kurz vor Toresschluss unterm Mönchsberg, in der letzten Oper der Sommersaison ihre Lorbeeren einfährt, als (gleichwohl „nur“ konzertante) Titelheldin in Donizettis „Lucrezia Borgia“.

Früher war alles besser? Das Lamento kann keiner mehr hören, doch im Falle der Bulgarin kommt man ins Grübeln. Krassimira Stoyanovas Karriere ist so etwas wie der Gruß aus goldenen Zeiten des Operngesangs. Als die Allrounder noch die Szene bestritten, als Mozart und Verdi keinen Vokalgegensatz bildeten, als auch Stars ohne Bling-Bling am Firmament leuchteten – und zwar aus eigener Kraft, nicht dank irgendwelcher PR- und Marktanstrengungen. Zur Stoyanova, der Vielseitigsten unter allen derzeitigen A-Klasse-Sopranistinnen, würde außerdem kein Tamtam passen, aus jeder ihrer Gesangsphrase springt einem das entgegen. Auch Donizettis Lucrezia ist bei ihr reinste vokaltechnische Intelligenz. Eine bestechende Gratwanderung, wo rechts und links Abstürze in den Effekt oder ins Getrickse drohen.

Referenzbesetzungen auf fast allen Positionen

Natürlich: Die Final-Cabaletta mit ihrem rasanten Zierrat ließe sich brillanter denken, mehr als Pyrotechnik und Jonglage. Aber darauf kommt es bei der Lucrezia, dieser merkwürdigen Zwitter-Existenz zwischen intriganter Mörderin und liebender Mutter, ohnehin nicht an. So, wie die Stoyanova Noten und Text hinterfragt, ist alles nur Mittel zum Zweck. Ergebnis ist wirklich ein Charakterbild, das Mitleid provoziert und gleichzeitig, in seiner gewissen Kühle, Irritation. Gerade deshalb fällt auf, wie sich andere im Großen Festspielhaus diesem Donizetti-Drama nähern. Ildar Abdrazakov gebietet über einen Pracht-Bass mit vielen Möglichkeiten auf der nach oben offenen Dezibelskala. Das weiß er, was aber für eine differenzierte Deutung des Lucrezia-Gatten Alfonso nicht ganz reicht. Und Dirigent Marco Armiliato, immer gern gebucht für den italienischen Repertoire-Alltag, geht mit dem Salzburger Mozarteumorchester auf Pauschalreise. Übers ambitionsarme Kapellmeistern kommt das nicht hinaus, einige Späne fliegen. Dass vor wenigen Tagen bei Verdis „I due Foscari“ mit Plácido Domingo hier dasselbe Ensemble auf dem Podium saß, glaubt man erst beim Blick ins Programmheft.

Dafür spendieren die Festspiele zwei weitere Referenzbesetzungen. Juan Diego Flórez hat seine Phase als Tenor-Trompete hinter sich gelassen. Etwas breiter ist die Stimme geworden, viel subtiler und dramatisch bewusster setzt er sie seit einiger Zeit ein, die (notwendige!) Lust an Stratosphären-Flügen ist dennoch geblieben. Den verratenen Lucrezia-Sohn Gennaro nimmt man Flórez zu 120 Prozent ab – im kommenden Frühjahr wird er damit, an der Seite von Edita Gruberova, in München zu erleben sein. An der Bayerischen Staatsoper ist in der „Lucrezia Borgia“ die große Gennaro-Arie gestrichen, in Salzburg wird sie zu einem Zentralmoment der Aufführung.

Ebenfalls an der Isar wird auch die großartige Mezzosopranistin Teresa Iervolino als Orsini dabei sein – bei ihr eine Art in die falsche Richtung gereifter Cherubino, herb, mürrisch, oft abweisend. Die Italienerin hat sich eine vordere Position im Belcanto-Repertoire erobert mit Zielrichtung auf Dramatischeres. Eine künftige Allrounderin? Das ließe ja hoffen.

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