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Da jrient’s wieder

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H. Higgins und E. Dolittle auf gleicher Höhe.
H. Higgins und E. Dolittle auf gleicher Höhe. © Karl & Monika Forster

„My Fair Lady“ am Staatstheater Wiesbaden.

Es zeugt von Selbstironie im Umgang mit der eigenen Rolle, dass auch die zweite Figur, die der Intendant und gelernte Schauspieler Uwe Eric Laufenberg selbst auf der Bühne des Hauses darstellt, ein Chef ist. Professor Higgins hat zwar anders als Dr. med. Hiob Prätorius (2015, ein gewitzter Abend) kein Kollegium um sich, aber der höhere akademische Titel macht es wett. Auch ist Professor Higgins generell der Boss. Nicht umsonst gibt es im Englischen das entsprechende Verb dazu (don’t boss me around, kommandier mich nicht rum).

Dass das mitschillern darf, der in diesem Falle durchaus herumkommandierende, zugleich lustige und sich selbst belustigt beobachtende, sich zudem dezent ins Ensemble einfügende Intendant, ist aber wirklich die einzige Doppeldeutigkeit der schmucken und unverdrossenen „My Fair Lady“ am Staatstheater Wiesbaden. Das immergrüne Musical von Frederick Loewe und seinem Autor Alan Jay Lerner zeigt Beka Savic (Regie) als Dekorspaß in den aufwendigen Kostümen von Claudia Jenatsch (beachten Sie die Hüte beim Pferderennen) und den geschmackvollen Kulissen von Bettina Neuhaus: Eine Kinofassade mit wechselndem Programm für die Straßenszenen, das opulent ausgestattete Arbeitszimmer des Sprachforschers, die lichte Tribüne in Ascot. Sieht man von dem Auftritt Michael Birnbaums als furios herumposaunendem Alfred P. Doolittle ab, regiert Gutmütigkeit und bekommt Sentimentalität tüchtig Raum, jene Sentimentalität, die von Mr. Doolittle und George Bernard Shaw, dem Autor des Ursprungsstückes „Pygmalion“, so böse auf den Arm genommen wird. Ein Quintett Gaukler belebt die Szenerie und erinnert an jene Püppchen, die man irgendwann als Erwachsener verlegen vom Sofa räumt. Diese hier springen und turnen munter weiter (Choreografie: Myriam Lifka) und verdeutlichen sozusagen die Stimmungslagen der Figuren.

Denn das ist jetzt das Merkwürdige. Die Besetzung der Hauptrollen mit Schauspielern sorgt zwar für ein gutes Spielniveau, quicklebendig Mira Benser als Titelheldin Eliza, gemütlich Uwe Kraus als Pickering, von knochentrockenem Witz Margit Schulte-Tigges als Mrs. Higgins. Aber so viel verlangt Beka Savic ihnen dann gar nicht ab, während man hinnehmen muss, dass Schauspieler als Sänger eher so okay sind und im Großen Haus ziemlich verloren. Die Entscheidung, technisch unverstärkt zu sprechen und zu singen: Sympathisch, aber riskant. Interessant, dass der wohl einzige klassische Musicaldarsteller, Björn Breckheimer als Freddy, auch als einziger (?) ein Mikroport zu benutzen scheint. Und das klingt schon gleich ganz anders. Ein Musical ist kein Schauspiel und keine Oper.

Fast keine Oper. Eine Freude ist das gut aufgelegte Orchester unter der Leitung von Christoph Stiller, das dabei so rücksichtsvoll und zartfühlend wie irgend möglich spielt. Schön auch, den professionellen Opernchor zu hören, von Albert Horne glänzend präpariert, so dass der Ascot-Song der musikalische Höhepunkt des mit Pause übrigens lässig dreieinhalbstündigen Abends ist.

Staatstheater Wiesbaden: 2., 11., 16.,
17., 24., 30. November.
www.staatstheater-wiesbaden.de

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