Verdis „Otello“ in München :
Der Feind in meinem Bett

Von Stephan Mösch
Lesezeit: 4 Min.
Dass die Regisseurin Desdemona als starke Frau zeigt, die sich im bewussten Umgang mit dem Problemfall Otello letztlich überschätzt, gibt der Aufführung ihren roten Faden.
Warum gehen sie nicht gleich zum Therapeuten? Amélie Niermeyer inszeniert Verdis „Otello“ in München als biedere Szene einer Ehe.

Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu. Adriana Hölszky und Dmitri Schostakowitsch lassen uns hörend in die geschundene Seele einer Giftmörderin schauen. Alban Berg sorgt dafür, dass ein Messerstecher vom Orchester ausgiebig als Opfer beklagt wird. Leoš Janáček, der inhaftierten Schwerverbrechern eine ganze Oper widmete, brachte es auf die Formel: „In jeder Kreatur steckt ein Funke Gottes.“ Musik nobilitiert. Mögen die Klangsprachen noch so verschieden sein: Stets schlägt die Oper einen anderen Tonfall an, als ihre literarische Vorlage. Sakrale Überhöhung gehört zur Sache selbst. Sie ist für Komponisten ein Mittel, um soziale Ambitionen auszudrücken, Missstände anzuklagen und jenes Tier im Menschen einzufangen, das auf der Opernbühne schon immer gerne gefüttert wurde.

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