Diese Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier sorgte im Jahr 2013 für hochgezogene Augenbrauen an der Wiener Staatsoper: den einen war sie zu nichtssagend, den anderen zu wenig dekoriert, wiederum andere wähnten sich in der Kinderoper. Fünf Jahre später müssen aber auch kritische Geister zugeben, dass sie repertoiretauglicher ist als die Polizei erlaubt, die in dieser eigenwilligen Inszenierung mit Tutu statt mit Tatütata auftritt.

„Leben, Einfachheit, Zaubertheater, Liebe“ waren die Schlagworte des Regieduos für diese Produktion, und dem kann man einiges abgewinnen: Die Zauberflöte ist Projektionsfläche für vieles, wobei die schlichte Schönheit und der simple Humor, die dem Werk und seinen archetypisch gezeichneten Charakteren innewohnen, nicht selten von überambitionierten Regisseuren und Ausstattern zugedeckt werden – das kann dann so befremdlich wirken wie eine junge Frau, die ihre Schönheit unter zu viel Makeup versteckt.

In diese Falle sind Leiser/Caurier nicht getappt, aber an anderer Stelle gibt es sehr wohl diskussionswürdige Schminke: Heutzutage ist man unangenehm berührt, wenn Monostatos ein schwarz bemaltes Gesicht hat und für sein Mohr-Sein gedemütigt wird (wenn auch nach den Buchstaben des Librettos). Die Entscheidung dafür war von dem Regieduo aber wohl bewusst getroffen: In ihrer Drastik sorgen die Monostatos-Szenen vielleicht sogar eher für einen Denkanstoß, als es eine politisch korrekte Darstellung könnte. Auf alle Fälle entwickelte man Sympathie mit der Figur, für die Benedikt Kobel seinen Charaktertenor wirkungsvoll einsetzte.

Viel geschminkt sind auch die drei Damen, die in dieser Inszenierung allerhand Buntes an- und aufhaben, und so das Bindeglied zwischen Papagenos Welt (fragwürdiger Geschmack) und dem Königlichen (Aufwand) bilden. In diesen wichtigen Partien gaben sich Fiona Jopson, Stephanie Houtzeel und Bongiwe Nakani an diesem Abend ebenso tadellos wie drei besonders talentierte Wiener Sängerknaben. Dass Daniela Fally, die kurzfristig für die erkrankte Ileana Tonca eingesprungen war, eine entzückende Papagena ist (und als krächzende Alte besonders liebenswürdig), dürfte ohnehin bekannt sein. Auch die Sänger der weiteren Nebenrollen (Priester, Geharnischte ohne Harnisch) erfüllten mehr als die Anforderungen.

Valentina Naforniţă hatte als Pamina ihren großen Moment mit einem berührend gesungenen „Ach, ich fühl’s“, wobei ihr zugutekam, dass ihre Stimmfärbung schon mehr in Richtung große Diva denn Mozartsängerin geht. Das wird speziell im Vergleich mit ihrer „Bühnen-Mutter“ Hila Fahima klar, da letztere als Königin der Nacht jugendlich-zorniger als die Tochter wirkte. Die Koloraturen gerieten ihr klar, auch wenn sie es bei den ganz hohen Tönen ein wenig zu eilig hatte – hier wünscht man ihr noch ein bisschen weniger Nervosität und mehr Mut zum Risiko – das Rüstzeug dazu hat sie jedenfalls.

Derartigen Zuspruch braucht ein Meister der Selbstvermarktung wie Clemens Unterreiner kaum. In dieser Aufführungsserie gibt er an seinem Stammhaus erstmals den Papageno, und das gelingt ihm wirklich beeindruckend. Gesanglich überzeugt er mit Leichtigkeit, die aus Sicherheit kommt, und auch seine Sprechstimme füllt das Haus mühelos. Als Wiener hat er den Schmäh und das richtige Timing für die Pointen quasi angeboren, und wenn er Taminos Gesang gekonnt nachäfft, hat er ohnehin das Publikum für sich gewonnen.

Tamino wurde von dem französischen Tenor Benjamin Bernheim gesungen, und das auf hohem Niveau – ein sehr vielversprechender junger Sänger mit ebenmäßigem Timbre, von dem wir in Wien hoffentlich noch mehr hören werden. Wenn man etwas bemäkeln kann, sind es überdeutliche laut-leise-Kontraste in der Bildnis-Arie.

Dass der Tenor in den gesprochenen Szenen gegen den Bariton meist den Kürzeren zieht, liegt in der Natur der Sache, wiewohl diesbezüglich ohnehin Sarastro die Autorität für sich beanspruchen darf. Als letzterer warf sich René Pape in seine übliche Arbeitskleidung (einen grauen, tailliert geschnittenen langen Mantel) und trug einen toten Hirsch über der Schulter, als ob es ein Hase wäre. Wem noch nicht der Gedanke gekommen war, dass Die Zauberflöte auch ein Kampf der Geschlechter ist, und Sarastro trotz seines moralisierenden Geschwurbels ein Ober-Macho, dem wurde es spätestens bei diesem Anblick klar; dass Pape diese Partie auch in allen musikalischen Facetten ausfüllt, ist ohnehin keine Überraschung.

Ja, echte Männer braucht das Land, und mit dem Berufstitel „Kammersänger“ hat man diesen Herrn hoffentlich noch ein wenig fester ans Haus gebunden. Die Verleihungszeremonie erfolgte im Anschluss an die viel bejubelte Vorstellung, und da zeigte sich der große Mann demütig und emotional überwältigt – wie sympathisch, dass Pape nicht nur Götter, Könige und Dämonen überzeugend verkörpert, sondern auch als Mensch authentisch erscheint – womit wir wieder bei einem zentralen Thema der Zauberflöte wären.

Eine unerlässliche Stütze des Hauses ist auch Ádám Fischer, bei dem Mozart ebenso in guten Händen wie Wagner ist. In der besprochenen Zauberflöte übernahm er auch das Glockenspiel und leistete sich keine Schwächen, wenngleich mir die Ouvertüre lieber ist, wenn sie ein paar Ecken und Kanten hat. Die Tempi waren zügig angelegt, was für dieses Werk essentiell ist, denn weder sollte man temperamentvolle Papagenos oder Paminas bremsen, noch die „würdigen“ Szenen „verschleppen“.

Fazit: Besser wird man eine Repertoirevorstellung der Zauberflöte kaum erleben.

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