Leere Flaschen, zerbrochene Maßkrüge, hier ein Traktor, dort ein paar Bierbänke und irgendwo in einer Ecke liegt bestimmt noch ein betrunkener Partygast – wer schonmal in den frühen Morgenstunden von einem bayerischen Dorffest nach Hause geschwankt ist, dem wird dieser Anblick sicherlich vertraut sein. Und genau in diesem Umfeld hat David Bösch die Neuinszenierung von Bedřich Smetanas Die verkaufte Braut an der Bayerischen Staatsoper angesiedelt.

Auf der Bühne (Patrick Bannwart) türmen sich meterhoch die Strohballen, hier und da dampft die Silage, und eine abgehalfterte Lichterkette sorgt für spärliche Beleuchtung. Das bäuerliche Diorama wird gefüllt von Chor und Solisten in authentischer Kleidung; es sieht aus wie Mitte der 1990er, aber es würde wohl auch niemanden groß wundern, die eklektische Mischung aus weißen Anzügen, Lederwesten, Kittelschürzen und Gummistiefeln heute noch irgendwo im oberbayerischen Nirgendwo anzutreffen.

Bösch setzt den Fokus klar auf den komischen Aspekt der Oper. (Versuchte) Zwangsehe, Menschenhandel, ein paar Ansatzpunkte für tiefgründige Interpretationen bietet Karel Sabinas Libretto freilich, doch darum soll es an diesem Premierenabend nicht gehen. „Alles was recht ist“, lautet das Motto der Spielzeit 2018/19 und davon weicht Bösch nicht ab.

So sieht man Death Metal-Fans feucht-fröhlich zum Furiant gegen den Wind urinieren oder den Heiratsvermittler Kezal seinen großen Auftritt über ein Heuförderband machen, während der stotternde Wenzel mit kleiner Pudelmütze, bunten Socken, Wanderrucksack und einem echten Schwein als Haustier zu seiner eigenen Karikatur wird.

Für wiederholte Lacher sorgt auch immer wieder die Integration des Souffleurs, der mal einen Bierkrug gereicht bekommt, mal beim Selfies machen hilft und einmal von einem Trunkenbold fast auf die Bühne gezerrt wird. Insgesamt kommt so tatsächlich etwas Operetten-Feeling auf, aber das muss bei einer komischen Oper freilich nicht das schlechteste Ergebnis sein.

Tomáš Hanus bestärkte diesen Eindruck und übertünchte das teilweise sehnsüchtige und schmerzliche, durchaus komplexe Moment der Partitur mit rasanten Tempi. Der tschechische Dirigent, der dem Münchner Publikum noch aus Die Sache Makropulos bekannt sein dürfte, peitschte das Bayerische Staatsorchester fast wie im Rausch an. In der Ouvertüre sprangen die Funken über, aber den großen Zusammenhalt zwischen Orchestergraben und Bühne mochte er nicht immer ganz bewirken – vielleicht lag es an der Aufregung zur Premiere.

Im Mittelpunkt des Bauerntheaters stand allerdings den gesamten Abend Selene Zanetti, nicht nur weil die Italienerin mit der Marie die Hauptrolle spielte, sondern weil das Mitglied des Münchner Opernstudios erst zwei Monate vor dem Premierenabend von ihrem rollenbesetzenden Glück erfahren hatte. Zanetti selbst hatte die Befürchtung, dass die deutsche Sprache ihre größte Herausforderung sein werde, doch das sollte sich weitestgehend in Luft auflösen. In den Höhen ihres vollen Soprans wünschte man sich etwas mehr Kontur und Charakter, aber das werden die nächsten Jahre sicher bringen. Authentisch, klar und gerne auch von der Emotionen ihrer Rolle bewegt, sang Zanetti,  als wolle sie sich schon für weitere große Rollen vorstellen.

Ihr gegenüber stand Pavol Breslik als ihr Liebhaber Hans. Schmelzend und jugendlich leicht sang sich der Tenor zum idealen Schwiegersohn und sorgte für die Rosamunde-Pilcher-Momente in dieser Inszenierung.

Beiden stahl allerdings Günther Groissböck als Kezal die Show. Nicht nur weil er als fleischgewordener Machotraum im weißen Anzug, rotem, bis zum Bauchnabel aufgeknöpftem Hemd, und Klapphandy den markantesten Auftritt hinlegte, sondern vor allem musikalisch. Prägnant, klar und bis in die letzte Silbe textverständlich perlte sein kräftiger Bass in das Auditorium. Unter 0196 /555 000 777 sei der Heiratsvermittler laut Bühnenprojektion zu erreichen. Wer nach diesem, neue Standards setzenden Auftritt nicht angerufen hat, ist selbst schuld!

Und so nahm der Abend beschwingt und als bunte Show mit kessen Einlagen und viel trashigem Spektakel seinen Lauf. Was Bösch hier produziert hat schwankt ein wenig zwischen Friedrichstadt-Palast und dem Komödiantenstadl. Die ganz große Oper ist es leider nicht geworden, aber durchaus ein runder, abwechslungsreicher Abend.

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