Eine überwältigende Winterreise
Jubel über die "bebilderte Version" für Martin Achrainer und Tommaso Lepore
Es ist verlockend, aus Franz Schuberts Liederzyklus "Winterreise" scheinbar mehr machen zu wollen, der Kraft der Worte und vor allem der Musik nicht wirklich zu vertrauen und das, was sonst im Geist des Konzertbesuchers entsteht, in reale Bilder und Aktionen umzuwandeln. So geschehen am Sonntag in der BlackBox des Musiktheaters, wo Hausherr Hermann Schneider gemeinsam mit Bühnenbildner Falko Herold und Videokünstler Patrick Bennwart seine Vision des Liederzyklus präsentierte.
Eine, die der Symbolwelt der Sprache und der Töne eine eigene der Bilder gegenüberstellt und diese interpretierend weiterdenkt. Gedankenfetzen, die traumatisch die klare Sicht verstellen und nur selten umgekehrt das Schöne zulassen. So schlüssig, stimmig und ästhetisch makellos diese Umsetzung gewesen sein mag, die musikalische Seite hätte auch absolute Finsternis vertragen.
Denn Martin Achrainer hat eine Winterreise gesungen, bei der er jedem Wort seine Bedeutung gab und es auch im Zusammenspiel mit der musikalischen Phrase bewegend zu beleben wusste. Eine Winterreise, die sich im internationalen Vergleich absolut hören lassen kann, die die Kraft hat, diese düsteren und doch immer wieder nach dem Strohhalm der Hoffnung greifenden Verse ohne falsches Pathos, eindringlich und stimmlich famos umzusetzen. Intensive Liedkunst, die an diesem Abend nahtlos in eine bewegt gestalterische überging und dabei das wirklich Bedeutsame nicht übertünchte. Tommaso Lepore am Klavier begleitete nicht bloß ein paar Lieder, er gestaltete seinen Part als Psychogramm einer gescheiterten Beziehung, die in die Katastrophe abzugleiten droht und doch immer wieder Lichtblicke aufblitzen lässt. Zu Recht gab es für die beiden stürmischen Applaus und Standing Ovations.
Fazit: Eine musikalisch überwältigende, aber auch szenisch stimmige Umsetzung von Franz Schuberts "Winterreise", die auf der nicht minder gelungenen CD-Aufnahme (Preiser Records, PR91429) nachzuhören ist.
BlackBox: Schuberts Winterreise als videografisch bebildertes Musiktheater, 20.1.