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Paul Dukas: ARIANE UND BLAUBART. © Foto: Bettina Stöß
Paul Dukas: ARIANE UND BLAUBART. © Foto: Bettina Stöß
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Detailliert und subtil: Ariane und Blaubart von Paul Dukas am Theater Bielefeld

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Paul Dukas – das ist der Komponist des „Zauberlehrlings“. Kein anderes Werk aus der Feder des 1935 in Paris gestorbenen Meisters hat es zu vergleichbarer und anhaltender Popularität gebracht wie die furiose Vertonung der Goethe-Ballade. Das mag vor allem daran liegen, dass der Umfang von Dukas‘ Oeuvre schmal ist – Folge der äußerst selbstkritischen Haltung des Komponisten seinen eigenen Arbeiten gegenüber. Viele von ihnen vernichtete er selbst, darunter zwei Opern. In seinen Augen und Ohren Bestand hatte offenbar nur „Ariane et Barbe-Bleu“, die „Conte en trois actes“, uraufgeführt 1907, ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten eher selten auf den Spielplänen der Opernhäuser zu finden. Jetzt bringt das Theater Bielefeld die Geschichte von Ariane und Blaubart auf die Bühne.

Es ist die Geschichte einer starken Frau mit einer klaren Mission: die Geheimnisse in Blaubarts Burg aufzudecken und jene fünf Frauen zu befreien, von denen man weiß, dass sie als Blaubarts Ex-Gattinnen hinter verschlossenen Türen gehalten werden, halb tot oder halb lebendig. Das Ergebnis von Arianes erfolgloser Mission steckt indes schon im Untertitel der Oper: „La Délivrance inutile“ – „Die vergebliche Befreiung“. Da kann Ariane noch so werbend jene Freiheit und Schönheit der Natur beschreiben, die da draußen auf die Eingekerkerten wartet: Sonne, Wind, Bäume, das Meer, sanfte Hügel... und vor allem Licht! Viel Eindruck macht es offenbar nicht auf Sélysette, Ygraine, Mélisande, Bellangère und die stumme Alladine. Die kleben anfangs wie leblose Statuen an den Wänden ihres Kellers, tauen dann langsam auf und gewärtigen all den Glamour jener Pretiosen, die hinter den zuvor von Ariane und ihrer Amme geöffneten sechs geheimnisvollen Türen im Keller der herzoglichen Burg ihren Glanz entfalten. Dieser schöne Schein ist ihnen lieber als die Option auf ein Leben, das ihnen den Wind der Selbstbestimmung um die Nase wehen lassen würde.

Regisseurin Andrea Schwalbach und Ausstatterin Nanette Zimmermann unterstreichen dies auch optisch: die fünf gefangenen Frauen stecken in puppenhaften Kleidern und schauen aus wie Spielzeuge in der Hand ihres Gebieters Blaubart – der in Paul Dukas‘ Oper allerdings eher eine Randerscheinung darstellt und dem emanzipatorischen Impetus der Ariane nicht viel entgegen zu setzen hat. Im Gegenteil: er wird Arianes Opfer. Gleich mehrfach perforiert sie seinen Körper mit einem Messer – Rache für Blaubarts brutalen Umgang mit seinen Frauen (hier weicht Andrea Schwalbach durchaus schlüssig und nachvollziehbar von der Vorlage ab, in der es eigentlich ominöse Bauern sind, die von außen kommend Blaubart zur Strecke bringen wollen). Doch zeitigt diese Tat nicht die Folgen, die Ariane gewiss lieb wären. Das offenstehende Tor zur Freiheit bleibt ungenutzt. Stattdessen der Verbleib des Frauen-Quintetts in einem Verlies, das sich zwar gehörig schief und schräg anfühlt, aber auf sie nicht unbedingt abweisend oder wie ein klinisch toter Raum wirkt. Ariane zieht deshalb unverrichteter Dinge von dannen.

„Kein Mensch will befreit werden. Freiheit muss teuer erkauft werden...“

Die Botschaft seiner Oper hat Paul Dukas selbst umrissen und findet sich als Zitat noch in jedem Programmheft jeweils aktueller Inszenierungen, so auch in Bielefeld: „Kein Mensch will befreit werden. Freiheit muss teuer erkauft werden...“ – Befreiung gelingt also nicht quasi von oben herab, wie Ariane es gern hätte. Dies ist die Essenz des im Grunde völlig handlungsarmen Dreiakters. Dessen Musik ist ebenso nahe an den oft kryptischen Worten des Dichters Maurice Maeterlinck wie Debussys „Pelléas et Mélisande“. Schillernde Instrumentation, große dynamischen Entwicklungen (vom Dunkel zum Licht), immer wieder der Rückgriff auf Ganztonskalen, Schöpfung von Harmonien, die in die Zukunft vorausweisen (auf Dukas‘ Schüler Olivier Messiaen etwa), aber auch deutliche Anleihen an die Tradition – in der Partitur „wagnert“ es stellenweise gewaltig. Sogar Richard Strauss‘ „Rosenkavalier“ schimmert hier und dort durch. Insgesamt ein vielfältig gestaltetes Ganzes, von Alexander Kalajdzic am Pult der Bielefelder Philharmoniker detailliert und subtil wirkend entfaltet.

Detailliert und subtil entfaltet

Im Zentrum des Geschehens steht selbstverständlich Ariane – eine während der Aufführung fast omnipräsente Figur, die Sarah Kuffner aufs Prächtigste ausfüllt: darstellerisch nicht minder wie sängerisch. Im Laufe der zehn Jahre, die sie inzwischen dem Bielefelder Solistenensemble angehört, hat Kuffner sich enorm entwickelt und gewann in dieser Zeit eine erstaunliche Bandbreite im Ausdruck. So auch einmal mehr mit ihrer Ariane: selbstbewusst, eifernd, leidenschaftlich geht sie ihre Rolle an. Ausgestattet mit einem fülligen Sopran (der lange Jahre ein Mezzo war), der problemlos und kraftvoll die von Dukas geforderten Höhen erreicht. Großartig! Auch Nohad Becker überzeugt als Sélysette; ihre Schicksalsgenossinnen sind Dorine Mortelmans (Ygraine), Melanie Kreuter (Mélisande), Hasti Molavian (Bellangère) sowie Katrin Schyns als stumme Alladine. Katja Starke als Arianes Amme fällt am Premierenabend krankheitsbedingt aus. Stattdessen übernimmt Regieassistentin Frederike Prick-Hoffmann das Spiel auf der Bühne, von deren Rand aus Janina Baechle den Gesang beisteuert – eine Konstruktion, die funktioniert. Moon Soo Parks Aufgaben als Blaubart sind zwar sparsam, wo er indes gefordert ist, macht er seine Sache bestens, ebenso wie der von Hagen Enke einstudierte Chor samt Extrachor.

  • Weitere Aufführungen: 8. 3.; 19. 3.; 24. 3.; 31. 3.; 19. 4.2019.

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