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Rusalka

Lyrisches Märchen in drei Akten
Libretto von Jaroslav Kvapil
Musik von Antonín Dvořák


in tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 20' (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 2) am 10. März 2019
(rezensierte Aufführung: 13. März 2019)


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Oper Köln
(Homepage)

Rusalka wird erwachsen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclair

Dies ist tatsächlich die verspätete Kölner Erstaufführung von Rusalka? Unfassbar, dass Dvořáks Oper es weder nach der Uraufführung 1901 noch nach 1945 mit der Konsolidierung des klassisch-romantischen Repertoires an den Rhein geschafft hat. Immerhin, die Kölner Oper geizt für diese Premiere nicht an den opulenten musikalischen Mitteln, und was der Komponist als "lyrisches Märchen" bezeichnet hat, gerät unter dem Dirigat von Christoph Gedschold mit dem ganz ausgezeichneten Gürzenich-Orchester zum großen spätromantischen Musikdrama. Die volkstümlichen, "musikantischen" Elemente werden dabei zu Farbtupfern im luxuriösen, manchmal etwas dick aufgetragenen symphonischen Klang.

Szenenfoto

Der Wassermann, hinten ist Rusalka in seinen Netzen gefangen

Auf der Bühne stehen passend dazu auch große Stimmen. Oleysa Golovneva singt die traurige Nixe mit jugendlichem, strahlendem Sopran, in der Höhe aufblühend, dem man auch die Erfahrung von Verdi-Partien wie der Traviata-Violetta anhört. Das dramatisch zupackende Element liegt ihr mehr als die liedhaften und lyrischen Passagen (bei aller Klangschönheit zerfällt das "Lied an den Mond" in einzelne Phrasen). Sie gestaltet diese Rusalka weniger als märchenhaftes Wesen denn als zerrissene junge Frau - und das mit bestechenden musikalischen Mitteln. Ihr gegenüber stehen Samuel Youn mit donnerndem, alles beherrschendem Bariton als Wassermann und Mirko Roschkowski mit geschmeidigem, hell timbrierten und strahlendem Tenor als Prinz. Dalia Schaechter gibt mit dramatisch gefärbtem Alt eine souveräne Hexe Ježibaba, und Adriana Bastidas-Gamboa eine klar fokussierte, strahlkräftige fremde Fürstin. Auch die kleineren Partien sind ausgezeichnet besetzt mit Insik Choi als fulminant auftrumpfendem Heger und Vero Miller als klangschönem, keineswegs kleinformatigem Küchenjungen sowie Emily Hinrichs, Regina Richter und Judith Thielsen als formidablem Elfenterzett. Da darf das Orchester, im (akustisch freilich immer heiklen) Deutzer Staatenhaus neben der Bühne platziert, auch schon mal kräftig zulangen, ohne gleich die Stimmen zuzudecken.

Szenenfoto

Rusalka, befreit

Regisseurin Nadja Loschky erzählt die Oper als coming-of-age-Geschichte, ohne die Märchenhandlung komplett zu tilgen. Rusalka muss sich zunächst aus der Umklammerung ihres Vaters, des Wassermanns, befreien, um in die Welt des Prinzen zu gelangen. Aber um vom naiven jungen Mädchen mit langen Zöpfen zur selbstbewussten Frau zu reifen, muss sie den Prinzen mindestens symbolisch töten - ein weiterer Akt der Emanzipation. Dieses Konzept geht leidlich gut auf, überzeugt allerdings mehr als großer Rahmen als im mitunter widersprüchlichen Detail. Der Wassermann ist als tiefgläubiger Katholik gezeichnet mit Kreuz und Bibel als unverzichtbaren Accessoires (Kostüme: Irina Spreckelmeyer) - obwohl ihn das Textbuch mit Anspielungen auf den Rheingold-Alberich als Frauenjäger kennzeichnet. Trotzdem passt vieles in dieser archaischen, insgesamt ein wenig überzogen und dadurch unnötig eindimensional gezeichneten Figur, insbesondere der Kontrast zur Hexe Ježibaba, die allem Religiösen skeptisch gegenüber steht - mehr Katalysator für Rusalkas Ausbruch denn helfende Kraft. Der Prinz ist keineswegs märchenhaft, eher ein (Frauen-)Jäger, bleibt aber ebenso wie die ihn umgarnende fremde Fürstin eher blass, auch weil die Regie ganz extrem den Blickwinkel Rusalkas annimmt (Oleysa Golovneva, fast ständig auf der Bühne, leistet auch schauspielerisch Großartiges). Es verschwimmt, was Realität und was Einbildung ist, und da ist der Prinz wohl in erster Linie Projektion des Männlichen (was im dritten Akt, wenn er um den eigenen Tod bittet, nicht wirklich überzeugend aufgeht). Es erscheinen, von Statisten dargestellt, eine Reihe weiterer Paare Rusalka-Prinz, in verschiedenen, teilweise bewusst stereotypen Posen. Rusalka erträumt sich da wohl ihre Welt mit Liebhaber.

Szenenfoto

Rusalka in den Armen des Prinzen

Das Bühnenbild (Ulrich Leitner) bleibt surreal: Der Holzboden wölbt sich nach hinten zu einer gigantischen Welle, wie sie auf böhmischen Binnengewässern kaum vorstellbar ist. Damit ist der Schwebezustand zischen Märchen und vorsichtiger psychologischer Deutung aber recht gut eingefangen. Schwieriger einzuordnen sind andere szenische Symbole. In jedem Akt ist ein Bett das zentrale Bühnenelement. Im ersten Akt ist Rusalka mit Netzen darin gefangen, Ausdruck der Abhängigkeit von Vater Wassermann, und aus diesen Netzen schneidet sie die Ježibaba heraus. Man kann kaum anders, als dieses Bild als Anspielung auf eine inzestuöse Vater-Tochter-Beziehung deuten - aber die Figuren zeigen das nicht einmal ansatzweise. Das fürstliche Ehebett des zweiten Aktes wird vom Heger und Küchenjungen (der hier wohl ein Küchenmädchen ist), vom Prinzen und der fremden Fürstin erotisch bespielt, aber Rusalka bleibt fern, merkwürdig asexuell. Und im dritten Akt bleibt ein leeres Bettgestellt. Wie aber die Regie nun zu Rusalkas Sexualität steht, im Coming-of-age-Kontext doch ein beherrschendes Thema, bleibt völlig offen. Vielleicht ist das nicht einmal das Schlechteste, denn so vermeidet die Regie eine vereinfachende Eindeutigkeit.

Szenenfoto

3. Akt: Rusalka, allein

Es hakt aber auch an anderen Stellen. Der Wassermann ist ja bis zuletzt sehr präsent - eine überzeugende Emanzipationsstory ist das also nicht. Schon interessanter ist die Lösung für den (am Ende von Rusalka erstochenen) Prinzen, dem Rusalka eines ihrer Doubles, allerdings mit Fischschwanz, in den Arm legt: Die Rolle der bewegungsunfähigen Meerjungfrau hat sie hinter sich gelassen. Trotz so mancher Holprigkeit des Konzepts gelingen Nadja Loschky immer wieder berührende Szenen und auch einige starke Bilder im Mitleiden mit der Titelfigur, nicht zuletzt durch eine engagierte (und vom gesamten Ensemble engagiert umgesetzte) Personenregie.


FAZIT

Auch wenn es im Detail mitunter kräftig knirscht, funktioniert das Regiekonzept um Rusalkas Reifeprozess im Großen und Ganzen noch ganz ordentlich und bietet spannendes Theater. Musikalisch bekommt man ganz große Oper mit tollen Stimmen zu hören.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph Gedschold

Inszenierung
Nadja Loschky

Bühne
Ulrich Leitner

Kostümbild
Irina Spreckelmeyer

Licht
Nicol Hungsberg

Chor
Rustam Samedov

Dramaturgie
Yvonne Gebauer


Chor und Statisterie der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Der Prinz
* Mirko Roschkowski /
Jeongki Cho /
Dmytro Popov

Die fremde Fürstin
Adriana Bastidas-Gamboa

Rusalka
* Oleysa Golovneva /
Olena Tokar

Der Wassermann
Samuel Youn

Ježibaba
Dalia Schaechter

Der Heger
* Insik Choi /
Wolfgang Stefan Schwaiger

Der Küchenjunge
Vero Miller

Erste Waldelfe
* Emily Hindrichs /
Veronika Lee

Zweite Waldelfe
Regina Richter

Dritte Waldelfe
Judith Thielsen

Ein Jäger
Hoeup Choi



Weitere
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