Feste soll man feiern, wie sie fallen, und der tausendste Rosenkavalier an der Wiener Staatsoper gehört natürlich dazu – am 8. April 1911, in einer schwierigen Zeit, war er erstmals im Haus am Ring zu erleben. Für Opernliebhaber mit Tagesfreizeit war am Vortag der Jubiläumsaufführung eine nachmittägliche Feierstunde angesetzt, und für den besonderen Abend selbst war eine ansprechende Besetzung aufgeboten, die in der immer noch gültigen Inszenierung von Otto Schenk überzeugte.

Eingeleitet von Staatsopernchef Dominique Meyer und Peter Matić, der ein Pasticcio negativer Kritiken rund um die Wiener Erstaufführung vortrug, entrollte sich ein nicht unbedingt spektakulärer Abend, aber doch eine Aufführung, in der musikalisch wie auch darstellerisch die feine Klinge geschwungen wurde.

Adrianne Pieczonka ist eine abgeklärte und großherzige Marschallin, verfügt über das für Strauss-Sängerinnen geforderte Silber in der Stimme, und besticht mit einer akkuraten Diktion des Wienerischen à la Hofmannsthal. Zur Perfektion hätte allerdings viel mehr verspieltes Geturtel in der Eingangsszene gehört; der Liebesakt findet bekanntlich im Vorspiel statt, und dann gibt sich auch eine Marschallin nicht so zurückhaltend, als wäre er schon eine gute Stunde her – da wäre mehr eindeutig mehr gewesen. Ihr Spiel entwickelte sich aber rasch, zumal Stephanie Houtzeel als ihr Octavian ein Glücksgriff ist, stürmisch und mit erstaunlich komischem Talent. Wenn sie im dritten Akt als Mariandl den Ochs auf Lerchenau anweint, ist der Ochs genauso ratlos, wie es Octavian angesichts der aufkeimenden Melancholie der Marschallin im ersten Akt war – womit ein großer Bogen in der Darstellung weiblicher Sprunghaftigkeit gespannt ist („La donna è mobile“ weiß auch der Herzog von Mantua in Rigoletto).

Nicht minder exzellent besetzt war Sophie: Chen Reiss singt diese Partie ganz ausgezeichnet, mit luftig-duftiger Höhe; sogar die im Libretto angesagte zarte Statur samt „Henderl-Schultern” hat sie vorzuweisen. Schade nur, dass sich die pompöse Rosenüberreichung bei Otto Schenk meist so gestaltet, dass Sophie lange Zeit nur die Rose fixiert, und Octavian erst sehr beiläufig zu bemerken scheint. Das widerspricht dem was man hört (laut Stefan Mickisch „das schönste Fis-Dur der Musikgeschichte“), denn hier tut sich ein lebensverändernder Moment auf, der nicht nur vom falschen Glanz der silbernen Rose handelt, sondern in erster Linie vom schicksalhaften Zusammentreffen zweier Menschen. Ansonsten gefällt diese Inszenierung mit dem Bühnenbild Rudolf Heinrich schon seit fünfzig Jahren; mit mittlerweile 381 Aufführungen hat sie es schon auf Kult-Status gebracht.

Bei den Herren beeindruckte Peter Rose als Ochs mit Noblesse vortäuschender, perfekter Höhe und derb-überheblichem Bass. Wenn er dann auch noch den Kopf schüttelt, dass die Wangen wackeln, macht er den Antihelden endgültig zum Sympathieträger. Abgesehen davon kann man sich in dem Fotoband, den die Staatsoper zum Jubiläums-Rosenkavalier herausgegeben hat, davon überzeugen, dass Roses Ochs genauso aussieht, wie ihn Alfred Roller für die erste Staatsopern-Inszenierung gezeichnet hat; dementsprechend lässt sich auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Richard Mayr, dem allerersten Staatsopern-Ochs, feststellen.

Markus Eiche war ein köstlich-aufgeregter Faninal, und Michael Laurenz gab ein gelungenes Rollendebüt als das Schlitzohr Valzacchi. Zusammen mit der Annina von Ulrike Helzel bildete er ein herrliches Intriganten-Duo. Caroline Wenborne war eine aufgeregte und strenge, aber sehr sympathische – und vor allem tadellos singende – Leitmetzerin.

Die vielen kleinen Partien waren durchwegs gut besetzt, wobei das Rollendebüt von Jörg Schneider als Wirt positiv hervorzuheben ist – im Rosenkavalier sowie im echten Wiener Leben eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Schneider bringt dafür die ideale Stimme und Figur mit, wobei sein Wirt schmeichlerisch-bemüht, aber auch ein ausgefuchster Geschäftsmann ist. Ein Negativbeispiel muss leider auch genannt werden: Benjamin Bruns italienische Sänger grenzte eher an eine Karikatur.

Hinsichtlich der musikalischen Leitung des Jubiläums-Rosenkavalier ging man auf Nummer sicher und bestellte Ádám Fischer ans Pult, der von A wie Aida bis Z wie Zauberflöte schon allerhand an diesem Haus dirigiert hat. Davon ist Der Rosenkavalier allerdings die einzige Strauss-Oper, dafür hat er sie aber schon über dreißig Mal geleitet. Die Partitur scheint ihm ebenso wie dem Staatsopernorchester in Fleisch und Blut übergegangen zu sein, und dementsprechend lebhaft, mit kecken Ausbrüchen und melancholischen Untertönen, wurde großartig musiziert; auch die Walzer waren echt wienerisch „schlampig“, mit larmoyant verzögertem Dreivierteltakt. Nur an einigen wenigen Stellen, etwa am Beginn des zweiten Aktes, wurde es im Überschwang ein wenig laut, aber das tat der Begeisterung keinen Abbruch. Orchester und Dirigent wurden ebenso wie das singende Personal bejubelt – und da demnächst Fischers fünfzigstes Dirigat von Fidelio an diesem Haus ansteht, wird das Jubeln wohl weitergehen.

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