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Kritik – Zemlinskys "Der Zwerg" an der Deutschen Oper Berlin Zerrissen zwischen Liebe und Lüge

Verdi, Wagner, Puccini: Ihre Opern wurden schon zu Lebzeiten der Komponisten viel gespielt. Alexander von Zemlinskys Kompositionen dagegen gerieten erst einmal in Vergessenheit – bis sie in den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt wurden. Zum Beispiel die Oper "Der Zwerg" nach einem Märchen von Oscar Wilde. Jetzt hat die Deutsche Oper in Berlin das Stück über einen kleinwüchsigen Hofnarren, der der Prinzessin zum Geschenk gemacht wird, auf den Spielplan gesetzt. Am 24. März war Premiere.

Mick Morris Mehnert als Zwerg (Darsteller), Elena Tsallagova als Prinzessin | Bildquelle: Monika Rittershaus

Bildquelle: Monika Rittershaus

Knapp anderthalb Stunden dauert der Einakter von Alexander von Zemlinsky nur, weshalb er oft mit anderen kurzen Stücken der Moderne kombiniert wird – in Berlin mit Arnold Schönbergs "Begleitmusik zu einer Lichtspielszene" für Orchester. Ein Auftakt voll rhythmischer Dynamik, der mitten hinein führt in die Geschichte vom Zwerg – den es aber nicht gebraucht hätte, denn diese Geschichte, sie steht so klar, so fantastisch für sich mit einer Musik, die zwischen Spätromantik und Moderne wagnerisch wogt, innerhalb der Grenzen der Tonalität schräg abgründig klingt und vor allem faszinierend lautmalerisch erzählt: vom Zwerg, den Oscar Wilde in seiner märchenhaften Vorlage für das Libretto so bildreich beschreibt.

Stylisch überdrehte Girlies

Elena Tsallagova als Prinzessin | Bildquelle: Monika Rittershaus Die Prinzessin (Elena Tsallagova) und ihr Girlie-Hofstaat | Bildquelle: Monika Rittershaus Ein Zwerg, mit großer Stimme, der bestaunt und belacht wird, der nichts weiß, von sich als schaurig schönem Scheusal, das die Anderen in ihm sehen, weil er sich im Spiegel nicht wahrhaft erkennen kann: Er wird der Infantin zum Geschenk gemacht. Donna Clara heißt die Prinzessin, die an diesem Abend im Kleidchen à la Kate Middleton mit stylisch überdrehten Girlies ihren Geburtstag feiert. Regisseur Tobias Kratzer lässt diese Party statt am Hofe im Konzerthaus steigen, mit dem singenden Zwerg als Special Event, so dass er auch dem Publikum den Spiegel vorhält. Wobei der Zwerg hier zwei sind: ein kleinwüchsiger Darsteller und seine "Stimme" – Mick Morris Mehnert und David Butt Philip, die mit angenehm unprätentiösem Spiel und innig intensivem konturiertem Gesang immer mehr zum zwiegespaltenen Eins werden, das die schöne Prinzessin irritiert und fasziniert. Elena Tsallagova als Donna Clara lässt in ihrem hellen, kraftvoll-klaren Sopran menschliche Rührung anklingen, um sich dann schnell wieder auf die Oberfläche des schönen Scheins zurückzuziehen.

Viel Gespür für Zwischentöne

In Hochform auch das teils auf der Bühne platzierte Orchester der Deutschen Oper. Unter dem Dirigat von Donald Runnicles schwelgen die Musiker anfangs etwas lautstark, um dann die Musik in all ihrer Farbigkeit leuchten zu lassen – mit viel Gespür für die Zwischentöne, die die teils beklemmenden, fantastisch realen Räume öffnen, in denen der Zwerg sich in dieser so detail- wie einfallsreichen Inszenierung bewegt.

Fatale Selbsterkenntnis

Und wenn dieser Zwerg sich am Ende dann doch im Spiegel erkennt, wenn der Sänger, der kleinwüchsige Darsteller und das Spiegelbild zu einem einzigen Zerrbild seiner selbst werden, zerrissen zwischen Liebe und Lüge, wahrer Schönheit und echtem Schein – dann ist dies ein Höhepunkt eines immer wieder bedrückenden und beeindruckenden Abends.

Sendung: "Leporello" am 25. März 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Zemlinsky in Berlin

Alexander von Zemlinsky:
"Der Zwerg"
Oper in einem Akt

Deutsche Oper Berlin
Inszenierung: Tobias Kratzer
Chor und
Orchester der Deutschen Oper Berlin

Informationen zu Besetzung, Terminen und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage der Deutschen Oper Berlin.

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