"Koma", Georg Friedrich Haas' Oper, enthält zwar Partikel einer ganz gewöhnlichen Familiengeschichte. Sie bietet allerdings vornehmlich viel Platz für Tragödie.

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Die Oper Koma von Georg Friedrich Haas, vor drei Jahren in Schwetzingen uraufgeführt, strapaziert die Parameter des Musiktheaters in ultimativer Art. Inhaltlich im Zentrum steht ein Spitalsbett, auf dem eine Frau nach einem gescheiterten Suizidversuch im Wachkoma liegt. Mehr als die Hälfte der zweistündigen Aufführung vergeht in kompletter Finsternis.

Dazu erklingt, schräg angeführt von einem mikrotonal präparierten Klavier, eine Musik, die sich an den klanglichen Wahrnehmungen zu orientieren scheint, die eine Ertrinkende am Außenrand des Lebens machen mag. Zusammengefasst könnte man sagen: Dieses Werk erfüllt in hervorragender Weise alle Befürchtungen, die konservative Menschen mit moderner Kunst verbinden.

Und man kann sich das am Klagenfurter Stadttheater vordergründig durchaus so bestätigen lassen. Nur entgeht einem halt dann das Aufregendste, der Einblick in das ganz von heutiger Wirklichkeit geprägte eigene Bewusstsein.

Das raffinierte Libretto von Händl Klaus versammelt um die Wachkoma-Patientin Michaela deren Familienangehörige, drei Pfleger und zwei Ärztinnen. Hilflos bewegen sich alle im Bezirk ihrer Rollen. Partikel einer ganz gewöhnlichen Familiengeschichte tauchen auf und unter, die Spur einer Katze, ein verschuldeter Vogeltod, die Misshandlungen der Mutter oder das Scheitern als Lehrerin – es reicht nicht für eine Tragödie, nur für eine Depression.

Große Kraftreserven

Wie schon in Schwetzingen ist Daniel Gloger auch jetzt in der Doppelrolle als Michaelas Schwager Alexander und – im Falsett – als ihre Mutter verantwortlich dafür, dass die künstlerische Behauptung von Haas und Händl so überzeugt. Ebenso besticht Bryony Dwyer als Michaelas Schwester Jasmin durch Kraftreserve, die sie neben der akkuraten Bewältigung der anspruchsvollen Partie auch noch für die physische Darstellung ihres Parts aufbringt.

Die Produktion, etikettiert als "Uraufführung der definitiven Fassung", hat eine große Anzahl intensivster Momente. Den Höhepunkt bildet die späte Szene mit der kollektiv besorgten Reinigung der Patientin. Da ist es nicht finster, Regisseur Immo Karaman kann ein bisschen auftrumpfen.

Da sein Beitrag mehr als den halben Abend lang unsichtbar ist, sei ihm der aufdringliche Witz mit den roten Nasen nachgesehen. László Zsolt Bordos kann, wenn man ihm die Chance lässt, mit Videoprojektionen die erstaunlichsten Raumeffekte erzielen. Plötzlich kribbelt alles vor Ameisen, dann fängt es zu brennen an.

Aber der wahre Wahnsinn ist diese Musik. Klar hat sich Haas nach der Premiere niedergekniet, um dem von Bas Wiegers geleiteten Orchester für seine Sonderleistung zu danken. Im Graben gibt es ja auch kein Licht, der Dirigent muss sich auf seine mentalen Übertragungskräfte verlassen. Aber es wird auch dem letzten Laien deutlich, dass Haas in seiner Ernsthaftigkeit ein Ausnahmekünstler ist, vor dessen Tonsprache sich dereinst kein Publikumsteil mehr fürchten wird. (Michael Cerha, 30.3.2019)