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Emilie Renard, Gyula Orendt, Evan Hughes, Ocean Barrington-Cook, Samuel Boden, Georgia Jarman, Hannah Sawle. Foto: Forster
Emilie Renard, Gyula Orendt, Evan Hughes, Ocean Barrington-Cook, Samuel Boden, Georgia Jarman, Hannah Sawle. Foto: Forster
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Wohlstandsverwahrlosung – George Benjamins Oper „Lessons in Love and Violence“ an der Staatsoper Hamburg

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Nach der erfolgreichen Uraufführung der Oper „Lessons in Violence and love“ von George Benjamin im Mai 2018 am Royal Opera House Covent Garden in London brachte nun die Staatsoper Hamburg die deutsche Erstaufführung dieser Produktion heraus. Die Premiere wurde mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter der sensiblen und souveränen Leitung von Kent Nagano ein eindeutiger Erfolg. Ute Schalz-Laurenze hat die Premiere besucht.

Das Stück mit dem „Text“ von Martin Crimp, der darauf besteht, dass es sich um einen Text und nicht ein Libretto handelt, wurde inspiriert von einem Drama des Shakespeare-Zeitgenossen Christopher Marlowe über Edgar II, der wegen seiner Verliebtheit in seinen Berater Gaveston die Staatsgeschäfte so vernachlässigt, dass ihm alles egal ist: „verstopft mein Hirn nicht mit Politik“ .

Seine eifersüchtige und dem Volks gegenüber zynische Frau Isabel verbindet sich mit dem verbannten Mortimer und tötet Gaveston und den König, um ihrem halbwüchsigen Sohn die Krone aufzusetzen. Das Kind, der neue König, und seine Schwester haben alles gesehen – sie sind in jeder der sieben Szenen anwesend und man kann sie aktualisierend als Wohlstandsverwahrloste situieren – und haben alles über Gewalt und Liebe gelernt: sozusagen folgerichtig tötet der neue König seine Mutter mit der Erkenntnis: „Auf keiner Seite dieses Vorhangs, Mammi, sind wir unschuldig“.

Katie Mitchell von Covent Garden hat schon die Uraufführung dieser dritten Zusammenarbeit von Benjamin und Crimp in ihrer sehr englischen Art inszeniert: eine nicht immer überzeugende Mischung aus kalter Distanz und hartem Realismus. Irgendwie sorgt sie dafür, dass das grauenhafte Geschehen, das eigentlich sehr wohl nennen will, was die Mächtigen mit uns machen, gar nicht an uns herankommt. Vieles bleibt statisch und steif, die Menge steht immer irgendwie herum, dann wechselt der Stil – eher selten – wieder in ergreifende Emotionen der Protagonisten. In der Uraufführung hat die phänomenale Barbara Hannigan die Königin Isabel gesungen, sicher stand ihr Georgia Jarman in Hamburg nicht nach: schwindelerregend die expressiven – Lulu-ähnlichen – Forderungen an die Stimme. Evan Hughes als der fiese König, Gyula Orendt als Gaveston und vor allem als Gast aus London Peter Hoare als schleimiger Mortimer bestachen alle durch intensive Präsenz und fabelhaftes Singen: der Komponist verlangt nicht nur viel, er bietet auch richtig dankbare Partien.

Die Musik von Benjamin, einem Schüler von Olivier Messiaen, ist in jedem Augenblick sehr melodisch, weist charakteristische und mitreißende Instrumentationen – besonders der Bläser – auf, findet reichhaltige Atmosphären, bleibt aber insgesamt nicht unbedingt moderne Musik, sondern ordnet sich auch mit vielen Floskeln im angenehm hörbaren Expressionismus ein. Ein solcher Stil garantiert Erfolg. Das Bühnenbild und die Kostüme von Vicky Mortimer – ebenso aus der Londoner Uraufführung – unterstützen die distanzierte Kahlheit der Inszenierung.

  • Weitere Aufführungen 10., 13., und 18. April 2019

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