"Otello" in Baden-Baden: Wenig Spannung im Neonlicht

13. April 2019 - 22:22 Uhr

Baden-Baden (MH) – Es zieht offenbar immer noch, wenn ein Altmeister wie Robert Wilson seine Manier der blaugrauschwarzen Bühnen mit Neonlichtakzenten über eine Oper stülpt und sich die Personenregie im Wesentlichen auf spärliche automatenartige Gesten und gleichförmiges Schreiten auf rechteckigen Wegen beschränkt. In Baden-Baden war das Festspielhaus bei der "Otello"-Neuinszenierung zum Auftakt der Osterfestspiele bis auf den letzten Platz besetzt. Das Publikum quittierte die Premiere am Samstag mit großem Applaus für die Musiker, mit Buhs für die Regie.

"Otello"

"Otello"

Seltsam, denn wirklich begeisternd war der Abend insgesamt auch musikalisch nicht. Zunächst ist Giuseppe Verdis "Otello" mit der hochdramatischen Handlung und der überaus differenzierten Komposition wohl denkbar ungeeignet für Wilsons stilisierte Manierismen, es sei denn, ein inspirierendes Dirigat setzt einen klaren Kontrapunkt. Dies aber gelang nicht. Natürlich spielten die Berliner Philharmoniker gediegen qualitätvoll, aber mit einem – pardon – gealterten Zubin Mehta am Pult hatte man zu zwei Drittel des Abends den Eindruck einer angezogenen Handbremse.

Stuart Skelton als Otello erfüllt den weiten Festspielhausraum mit seinem schönen tragenden Tenor, ihm gelingen dramatische Ausbrüche. In den sensiblen, poetischen Szenen hatte er aber anfangs in der Höhe echte Probleme. Sonja Yoncheva singt die Desdemona wuchtig, das "Lied von der Weide" aber lyrisch fein. Vladimir Stoyanov als Jago ist am überzeugendsten, das "Credo" versickerte aber leider im sehr langsamen Tempo und nicht vorhandener Agogik – an ihm lag’s nicht…

Die Inszenierung hat in getragenen Szenen naturgemäß Stärken, wenn’s dramatisch wird, wirken das Geschehen merkwürdig fremdgesteuert und die Figuren hilflos. Das ist nun nicht Verdis grundsätzliche Intention. Die Buhs für das Regieteam sind trotzdem überflüssig, denn: Wenn man Robert Wilson engagiert, realisiert er eben seine Ästhetik. Und die ist sehenswert, wenn auch wohl eher bei Debussy als bei Verdi.

(Von Martina Kausch)

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(mk/wa)

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