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Der doppelte Herrscher

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Idomeneo, Mirko Roschkowski, soll Idamante, Kangmin Justin Kim, töten, will aber natürlich nicht.
Idomeneo, Mirko Roschkowski, soll Idamante, Kangmin Justin Kim, töten, will aber natürlich nicht. © Karl & Monika Forster

Die Maifestspiele in Wiesbaden eröffnen mit Mozarts ernsten Opern „Idomeneo“ und „Titus“.

Herrscherdramen sind Stücke zur Stunde, wenn Politiker versagen oder zu versagen scheinen. Zur Warnung, zur Ermutigung, zur Information. Interessant, dass es den Wählern womöglich angenehmer ist, nicht selbst ins Zentrum der Kritik zu geraten, denn weder in den Stücken Shakespeares noch in den großen ernsten Opern von Wolfgang Amadeus Mozart hat das Volk besondere Mitspracherechte.

Es darf aber singen, vor allem in „Idomeneo“. Zusammen mit „Titus“ („La Clemenza di Tito“) wurde das Werk nun zu einem Mozart-Doppel verbunden, das an zwei aufeinanderfolgenden Abenden die Internationalen Maifestspiele in Wiesbaden eröffnete. Zwei Herrscher in prekären Situationen, die sich hier jedoch redlich Mühe geben, das Richtige zu tun, und dabei unter der Bürde über alle Maßen leiden, zwei Schmerzensmänner also auch (Titus wird auf der Treppe hängen wie Jesus am Kreuz). Noch dazu Tenöre. Einer soll den eigenen Sohn töten, weil er in Lebensgefahr den Göttern ein unkluges Versprechen gab. Einer soll selbst sterben, weil eine enttäuschte Frau ein rachedurstiges Komplott lanciert. Die Frau hat zugleich ein schlechtes Gewissen, alle haben abwechselnd ein schlechtes Gewissen oder leiden unter der schlechten Behandlung durch andere, es ist ein Jammer.

Die Grundidee, beide Stücke in einen Zusammenhang zu bringen, überzeugt also sofort. Die Ausführung, eine Doppelinszenierung von Intendant Uwe Eric Laufenberg, wirkt in dieser Hinsicht etwas leichthin. Dazu ist sie recht statisch, sieht aber blendend aus, so dass es auf ein ausführliches Ereignis für hartgesottene Freunde des gepflegten Rezitativs hinausläuft. Das Staatsorchester unter Konrad Junghänel: Bewundernswert in der detail- und strukturreichen Herangehensweise, die nicht nur durch Hammerklavier und hervorgehobene Klarinette – der exzellente Solist mit auf der Bühne – einen modernen Einschlag bekommt. Der Chor kommt, steht und geht, und manchmal fällt er, aber er singt, einstudiert von Albert Horne, weich und doch trefflich.

Etwas leichthin? Von Ideen wie dieser hätte man gerne mehr gesehen: Zur „Idomeneo“-Ouvertüre sieht man den Herrscher beider Abende, Mirko Roschkowski, in einem Video (Gérard Naziri) immer wieder eine große Treppe hinaufschreiten. Ist er oben angekommen und wähnt sich am Ziel – nach oben, Herrscher und Marienkäfer wollen immer nach oben –, muss er feststellen, dass die Treppe wieder auf ihn wartet. Der Alptraum eines Machthabers. Das Bühnenbild (Rolf Glittenberg) zeigt für „Idomeneo“ dann ein versehrtes Gebäude, das Loch lässt aufs blaue Meer schauen, welches sich zu den Arien aufgebrachter Menschen sowie zu Neptuns Wutanfällen schaurig aufwirft.

Der wahre Alptraum

Dann aber, zum „Titus“, ist das Treppenhaus aus dem Vorspiel das reale Bühnenbild. Der Alptraum könnte inzwischen wahr geworden sein – dazu würde passen, dass die Kostüme (Marianne Glittenberg) von zeitloser Folklore in eine schicke Jetztzeit gewechselt haben –, aber das bleibt für die Inszenierung folgenlos. Sängerinnen und Sänger bewegen sich gut, sehen gut aus, aber das Geschehen bleibt im Dekorativen. Warum auf Kreta göttliche Wetterinterventionen mit Fallsucht und Übergriffen gegen Frauen einherzugehen scheinen, erschließt sich nicht. Dass das Kapitol aussieht wie das Wiesbadener Kurhaus, ist ein hübscher Spaß in dieser wirklich ernsten Lage, aber auch charakteristisch für das ansehnliche Zusammenstückeln der Großaufführung.

Vitellia, Olesya Golovneva, will Titus töten, hat aber ein schlechtes Gewissen.
Vitellia, Olesya Golovneva, will Titus töten, hat aber ein schlechtes Gewissen. © Karl & Monika Forster

Roschkowski als personelle Klammer singt ein zartes, aber feines Herrscherdoppel. Vor allem sind es die Abende der Sopranstimmen: Man hört im „Idomeneo“ Netta Or als Elettra, Slávka Zámecníková als Ilia und den Counter Kangmin Justin Kim als Idamante, die ein regelrechtes, fast etwas eintöniges Klangtrio bilden. Ähnlich verhält es sich im „Titus“, nun mit Olesya Golovneva als Vitellia, Shira Patchornik als Servilia und Silvia Hauer als herausragendem (und wenigstens etwas dunkler timbriertem) Sesto.

Auch in Wiesbaden war der gute Ausgang des „Titus“ der Regie offenbar unheimlich. Diesmal ist es Vitellia, die Gift trinkt. Das Gift sieht ebenfalls schön aus.

Staatstheater Wiesbaden

„Idomeneo“ am 4. Mai, 6., 9., 14. Juni.
„Titus“ am 5. Mai, 10., 22., 27. Juni.
www.staatstheater-wiesbaden.de

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