Leben wir in der besten aller Welten oder sind die Zustände zum Speiben? So fragt sich der Mensch seit längerem. Candide, Bernsteins "comic operetta", basiert auf der gleichnamigen, handlungsprallen satirischen Novelle von Voltaire (1759) – da mutet es verwegen an, dass Regisseur Christoph Zauner dem quirligen Handlungsgang noch eine zusätzliche Deutungsebene auflädt. Die bahnbrechende Erkenntnis des Zeitdiagnostikers Zauner: Wir leben in einer oberflächlichen Medienwelt. Ah, echt?

Und so erlebt der Zuschauer den Katastrophenmarathon von Candide und Co im Rahmen von TV-Shows, Livekameraacts und Selfieorgien. Ob es statt dieser abgegriffenen Aktualisierung nicht lohnender gewesen wäre, das Werk auf Deutsch zu präsentieren? Der zynische Witz des Librettos wäre so anstrengungsloser zu erfassen.

Unterhaltsame Produktion

Egal: Trotz dieser Verwirrspiele ist Zauner eine in Summe unterhaltsame Produktion gelungen. Johannes Bamberger (Candide) und Ilona Revolskaya (Cunegonde) sind ein stimmlich und darstellerisch berührendes Liebespaar; Dumitru Madarsan, Tatiana Kuryatnikova und Aleksandra Szmyd punkten in den Kategorien Charisma, Komik und Sexyness.

Der fabelhafte Botond Ódor lässt (als Gast) auf ein Wiederhören hoffen, David Wurawa ist als Voltaire ein stimmgewaltiger Master of Ceremonies. Den besten aller Premierenbeifälle gibt es auch für Benjamin Bayl und das Wiener Kammerorchester (man spielt die Fassung von 1974). (sten, 3.5.2019)