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Der Freischütz

Romantische Oper in drei Aufzügen
Libretto von Johann Friedrich Kind
Musik von Carl Maria von Weber


In deutscher Sprache mit französischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Koproduktion mit der Operá La Monnaie Brüssel und dem Staatstheater Nürnberg
Premiere an der Opera National du Rhin in Strasbourg am 17. April 2019


Homepage

Opera National du Rhin
(Homepage)
Jagen und mobben

Von Roberto Becker / Fotos von Klara Beck


Jossi Wieler und Sergio Morabito sind ihrer Leitungs-Verantwortung für die Oper in Stuttgart ledig. Wieler nutzt diese Freiheit als gesuchter und geschätzter Regisseur. Morabitos intellektuelles Potential und seine Regie-Erfahrung haben sich die designierte Leitung der Wiener Staatsoper gesichert. An der Opéra national du rhin in Strasbourg haben sie jetzt aber - wie so oft in den letzten Jahren - gemeinsam Regie geführt. Und sich Carl Maria von Webers Freischütz vorgenommen. Einen Dauerbrenner des deutschen Repertoires - wie aktuell von Lübeck über Dessau und Essen bis Karlsruhe, um nur einige aktuelle Inszenierungen zu nennen. Der Freischütz hat es geschafft, als Erbstück des 19. Jahrhunderts, als ein Stück zu gelten, dem das nationale Selbstverständnis der Deutschen zugerechnet wird. Das war sogar schon so, als es noch gar keinen Nationalstaat gab.

Vergrößerung in neuem Fenster Sie Spielen Jagen und Mobben

Die Qualität der Musiknummern ist allein schon durch ihre Popularität hinreichend belegt. Selbst an die Sprechtexte hat man sich gewöhnt. Deren holprige Altertümlichkeit duckt sich, ganz ähnlich wie in der Zauberflöte oder beim Fidelio, in der Musik kuschelig weg. Wenn man sie streicht oder mehr oder weniger rabiat erneuert, dann stellt sich prompt Phantomschmerz ein. Meistens jedenfalls. Diesem Problem stellen sich Wieler und Morabito offensiv. Sie streichen nichts, aber die musikfreien Passagen werden, quasi zur Seite hin, mehr absolviert und abgeliefert als in die Handlung integriert gesprochen. Also in ihrer Vollständigkeit belassen, denunziert und dadurch entsorgt. Das hört sich clever und interessant an, funktioniert aber beim Freischütz ebenso wenig wie schon beim Fidelio des Duos in Stuttgart.

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Kaspar in der Wolfsschlucht

Hinzu kommt in Strasbourg die ganze von Alekos Hofstetter inspirierte Comic-Ästhetik der Bühne, die so auf Distanz zum Stück und seinen Figuren geht, dass man sich fragt, warum es sich die beiden überhaupt vorgenommen haben. Aus unserer Gegenwart schweben Drohnen in die Geschichte und über den Häuptern der Akteure. Als Auge und Stimme des Teufels versteht sich. Was man ja ganz gut nachvollziehen kann. Die im Krieg eingesetzten Drohnen werden nicht nur von den Opfern als Teufelszeug empfunden, sofern sie deren Einsatz überleben.

Die Ausstatterin Nina von Mechow hat vor die Landschaftsprospekte a la Hofstetter ein Försterhaus und ein paar urbane Versatzstücke (einen Brunnen etwa) gesetzt. Erkennbar als Kulissenfassade. Mit nutzbarerer Vorder- und Rückseite bzw. angedeutetem Mobiliar. Hier ein Jungmädchenzimmer in Pink. In der Wolfsschlucht wird es dann sowohl video- als auch comicaktuell: da sieht man einerseits Bilder aus der Steuerzentrale des Drohneneinsatzes mit den "Piloten" vor ihren Bildschirmen und der Erfassung und Liquidierung ihrer Ziele. Andererseits schwebt Max von oben ein und Agathe oder seiner Mutter Geist werden als XL-Scherenschnitte durchs Bild geschoben. Merke: die teuflische Freikugel ist die Keimzelle allen Drohneneinsatzes samt seiner Kollateralschäden. In der Wolfsschlucht reicht die Melange aus Bildern verschiedener Epochen dennoch nicht an den musikalischen Grusel heran, zu dem sich die Musik in dieser Szene aufschwingt.

Vergrößerung in neuem Fenster Der Jungfernkranz

Schon die Eingangsszene geht erkennbar auf Distanz zu dem, was sie zeigt. Wir befinden uns auf einem Firmenevent. Sie spielen Jagd und sind dazu mit Paintball-Waffen und 3D-Brillen ausgestattet, unterscheiden sich in den Farben ihrer Tarnfleck-Uniformen. Der Chef (Frank van Hove als recht kraftvoller Erbförster) ist mittendrin. Dieses Firmenevent ist auch eine Lektion über Mobbing, bei dem Max zum Opfer wird. Kommt dieser Zugang noch einigermaßen stringent über die Rampe, werden Szenen wie der Jungfernkranz oder der Jägerchor eher als beiläufig choreografierte Tanznummer verläppert. Zum Finale schließlich taucht ein Riesenschatten über der Szene auf. Nur der als Narr angelegte Kilian (spielintensiv: Jean-Christophe Fillol) hat im Gefühl, was dieser Schatten über der Welt zu bedeuten hat.

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Ich bin die Taube ...

Darauf, dass Agathe die Totenkrone, die sie statt der erwarteten Brautkrone vorfindet, locker wegsteckt, und Max beim Probeschuss unmissverständlich auf Kaspar zielt und trifft, kann man sich einen Reim machen. Darauf, dass der Eremit (Roman Polisadov), der am Ende plötzlich neben Ottokar (Ashley David Prewett) auf der Dachplattform über den Köpfen der anderen auftaucht, dem Fürsten den Handschlag verweigert, der aber dann dem Reformvorschlag des langhaarigen Althippies folgt, eher weniger.

Patrick Lange dürfte am Pult des Orchestre symphonique de Mulhouse in den Folgevorstellungen einige Wackler noch abgeschliffen haben. Lenneke Ruiten ist eine eher feine Agathe, Josefin Feiler ist ein erfrischendes blondes Ännchen an ihrer Seite. Jussi Myllys enttäuscht als Max. So nutzt David Steffens als sein Widersacher Kaspar seine Chance, vokal zu triumphieren. Bleibt zu hoffen, dass Wieler und Morabito in künftigen Projekten an die szenischen Höhenflüge anknüpfen können, mit denen sie vor allem in ihren Inszenierungen mit Anna Viebrock als Partnerin in Stuttgart überzeugten.


FAZIT

Der Freischütz, den Jossi Wieler und Sergio Morabito in Strasbourg herausgebracht haben lässt szenisch, aber auch musikalische viele Fragen offen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Patrick Lange

Inszenierung
Jossi Wieler
Sergio Morabito

Bühne und Kostüme
Nina von Mechow
(unter Nutzung von Bildern von
Aleksos Hofstetter)

Licht und Video
Voxi Bärenklau

Choreographie
Bruno Bouché


Chor der Opéra national du Rhin

Orchestre symphonique de Mulhouse


Solisten

Ottokar
Ashley David Prewett

Kuno
Frank van Hove

Agathe
Lenneke Ruiten

Ännchen
Josefin Feiler

Kaspar
David Steffens

Max
Jussi Myllys

Ein Eremit
Roman Polisadov

Killian
Jean-Christophe Fillol



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opera National du Rhin
(Homepage)



Da capo al Fine

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