„Je ne suis pas heureuse“ – Ich bin nicht glücklich – singt Mélisande immer wieder mit klarer, schlichter Stimme. Am Ende ist die verängstigte Frau tot, nachdem sie noch einem Kind das Leben geschenkt hat.

In Kälte erstarrt

Katharina Ruckgabers ergreifende Mélisande am Freiburger Theater ist eine Femme fragile, die zerbricht, die in der Kälte erstarrt. Selbst im Tod wenden sich alle von diesem rätselhaften, verhuschten Geschöpf mit den langen Haaren ab. Und auch der lichte Dur-Akkord, den das Philharmonische Orchester Freiburg dem erschütternden Schlussbild von Dominique Menthas berührender, atmosphärisch dichter Inszenierung unterlegt, kann keinen Trost spenden.

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Vom Beginn an steht Mélisande im Mittelpunkt, obwohl sie erst gar nicht zu sehen ist, wenn Golaud sie im Wald findet. Man hört nur ihre Stimme: „Ne me touchez pas!“ – Berührt mich nicht! – singt Katharina Ruckgaber mit ihrem beweglichen, schlackenlosen Sopran. Und versteckt sich hinter einer der beiden aufgefächerten Wände, die je nach Perspektive einen Wald, ein Meer oder eine Eislandschaft zeigen (Ausstattung: Ingrid Erb und Sylvan Müller). Die sich unmerklich drehende Bühne, die ruhigen Bewegungen der Figuren entwickeln eine Ästhetik der Langsamkeit. Dominique Menthas hochmusikalische Inszenierung von Claude Debussys Oper setzt mehr auf Andeutungen als auf Konkretes. Der Brunnen im zweiten Akt, in den Mélisandes Hochzeitsring fällt, ist ein Lichtkegel. Die wenigen dramatischen Höhepunkte wirken deshalb umso stärker. Es schmerzt richtig, wenn Golaud Mélisande an den Haaren über den Boden schleift oder Pelléas von hinten ersticht.

Kluge Zurückhaltung

Diese kluge Zurückhaltung prägt auch die Interpretation von Generalmusikdirektor Fabrice Bollon. Die Oper beginnt im schwebenden, genau ausbalancierten Pianoklang – und kehrt immer wieder dahin zurück. Das Philharmonische Orchester Freiburg erreicht eine klangliche Homogenität, die die zarten Nuancierungen, die subtilen Farbwechsel und auch die plötzlichen Steigerungen in höchster Qualität erlebbar macht.

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Auch das Ensemble hält das erstklassige Niveau. Georg Festl gibt mit seinem virilen Bariton einen Golaud, der von Beginn an Dominanz entfaltet. Schon sein Händedruck ist ein Übergriff. Sein Blick durchbohrt. Festl entfaltet Kantabilität und Strahlkraft – ein Ereignis! Mit John Carpenter als Pelléas hat er einen lyrischen Gegenspieler, der sich nach und nach vom polternden Bruder emanzipiert. Carpenters Tenor strömt frei und farbenreich. Und gewinnt gerade durch Zurückhaltung und Noblesse das Herz von Mélisande. Jin Seok Lee ist ein bassmächtiger König Arkel mit großer Ausstrahlung.

Echter Höhepunkt

Katharina Bierweiler schenkt mit ihrem knabenhaften Sopran Golauds Kind Yniold Leichtigkeit, die sonst in diesem düsteren Ambiente nirgends zu spüren ist. Auch die kleineren Partien sind mit Jongsoo Yang (Arzt), Anja Jung (Geneviève) und Seonghwan Koo (Hirte) sehr gut besetzt. Mit dieser herausragenden Produktion aus einem Guss feiert das Freiburger Theater den ersten echten Opernhöhepunkt der Saison.

Weitere Vorstellungen: 30. Mai, 12./19./23. Juni, 5./11./20. Juli, Weitere Informationen unter: http://www.theater.freiburg.de