Spannende Tannhäuser – Inszenierung bei den Maifestspielen in Wiesbaden

Staatstheater Wiesbaden /Tannhäuser/ Foto @ Karl_Monika Forster

Tannhäuser oder der Sängerkrieg auf der Wartburg“ am 26. Mai 2019 bei den Maifestspielen mit provozierenden Bildern

Wagners Tannhäuser ist der Künstler auf der Suche nach Erkenntnis. Er hat zwei Seelen in der Brust, er ist Faust verwandt. Ebenso mutig wie trotzig-­rebellisch sucht er nach Grenzüberschreitung. Er will aber als Künstler auch ein anerkanntes Mitglied der Wartburggesellschaft sein und beteiligt sich am Wettbewerb um das Besingen der Liebe, bei dem er sich außerhalb der etablierten Gesellschaft stellt und durch das Besingen der fleischlichen Liebe einen handfesten Skandal provoziert. Einzige Rettung ist eine Pilgerfahrt nach Rom. (Rezension der besuchten Vorstellung am 26.5.2019)

 

Welcher Weg führt »zum Heil«? In der Romerzählung zeigt sich, dass der Papst die Vergebung verweigert. Oder der Rückzug in den Venusberg? Elisabeth, die reine Braut jedenfalls überlebt Tannhäusers Eskapaden nicht. Ihr Eintreten für Tannhäuser führt jedoch zu einer versöhnlichen Lösung.

Die Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg mit dem Bühnenbild von Rolf Glittenberg und Kostümen Marianne Glittenberg, deren PREMIERE am 19. November 2017 war, wird zu den Maifestspielen 2019 mit Bayreuth-Star Andreas Schager nach Lance Ryan und Klaus Florian Vogt als drittem Tannhäuser wieder aufgenommen.

Schager überzeugt stimmlich und darstellerisch auf ganzen Linie und wird in ein hochkarätiges Ensemble integriert. Aus diesem Ensemble ragen Betsy Horne als Elisabeth mit stimmschönem Sopran, Albert Pesendorfer als Landgraf Hermann von Thüringen mit profundem Bass und Benjamin Russell als Wolfram von Eschenbach mit lyrisch-jugendlichem Bariton heraus.

Staatstheater Wiesbaden /Tannhäuser/ Foto @ Karl_Monika Forster

GMD Patrick Lange hält die Fäden straff in der Hand. Er betont den Wegcharakter des Wanderers zwischen zwei Welten. Das Hessische Staatsorchester spielt eine Mischung aus der Urfassung von 1845 und der Pariser Fassung von 1865, die Wagner im Stil der „Grand Opéra“ ausgearbeitet hatte, die aber in Paris nicht verstanden wurde.

Die Chorszenen werden vom Hessischen Staatsopernchor und Extrachor unter der Leitung von Albert Horne beeindruckend präzise gestaltet, die Statisterie des Staatstheaters Wiesbaden trägt attraktive jungen Damen und Herren für die erotischen Nacktszenen bei.

Uwe Eric Laufenberg, Intendant des Staatstheater Wiesbaden, erarbeitet daraus eine eigene Fassung, die den Blick auf die Person des Tannhäuser fokussiert und die Ambivalenz der Gesellschaft, die sich nach einer Pilgersequenz aus den Büßergewändern schält und in eine erotische Fantasie verfällt. Das Vorspiel wird mit einer Video-Sequenz (Gérard Naziri, Falko Sternberg) bebildert, die keinen Zweifel daran lässt, dass der Pilgerchor zum Papst nach Rom zieht.

Die Venusberg-Musik wird dagegen mit erotischen, ja pornografischen und rauschhaften Video-Szenen illustriert, die nahelegen, dass es nicht nur um Sex, sondern auch um Drogen geht. Als dann auch noch die in der Kirche betenden Pilger ihre Rucksäcke ablegen, sich komplett entkleiden und miteinander eine handfeste Orgie zu Wagners Venusberg-Musik feiern, sind einige Zuschauer ernsthaft empört.

Staatstheater Wiesbaden /Tannhäuser/ Foto @ Karl_Monika Forster

Wie der Held und Künstler Tannhäuser stehen auch die Bürger zwischen der Sinnlichkeit der Venus und der reinen, keuschen Liebe der Elisabeth. Tannhäuser wird in diesem Zwiespalt zerrissen. Er ist der hemmungslosen Lust überdrüssig und verlässt die sehr attraktive und erotische Venus (Jordanka Milkova) auf der Suche nach dem Heil in der Natur. Als er, in einem lieblichen Tal am Fuß der Wartburg angekommen, von Rittern aus der Wartburg eingeladen wird, sich ihnen wieder anzuschließen, erkennt er das Ziel seiner Wünsche: Elisabeth, die junge Nichte des Landgrafen, (nicht zu verwechseln mit der historischen heiligen Elisabeth von Thüringen, die Ehefrau des Landgrafen Ludwig war).

Als Stilmittel lässt der Regisseur den 2. Akt in mittelalterlichen Kostümen spielen, den Anfang und den Schluss in moderner Kleidung. Dadurch wird klar, dass der Konflikt zeitlos ist: wer sich zu sehr außerhalb der etablierten Gesellschaft positioniert wird ausgegrenzt.

Der Landgraf, der ahnt, dass seine Nichte Elisabeth in Tannhäuser verliebt ist, stellt den Minnesängern die Aufgabe, das Wesen der Liebe zu besingen. Wolfram, ganz linientreu, Tannhäuser und der erzkonservative Biterolf geraten heftig aneinander. Als Tannhäuser dann auch noch persönlich wird eskaliert der Streit, er soll aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Landgraf Hermann verbannt ihn mit mächtigem Bass.

Tannhäuser hat sich mit seinem Plädoyer für die Erotik und Lust außerhalb der konservativen Gesellschaft gestellt. Die Ungeheuerlichkeit der Provokation unterstreicht der Regisseur dadurch, dass einige nackte Männer und Frauen durch die Festgesellschaft der Wartburg huschen – ein starkes Bild, das allerdings konservative Gemüter ziemlich indigniert. Elisabeth kann die lebenslange Verbannung Tannhäusers abwenden, indem sie sich vor ihn stellt und der Wartburg-Gesellschaft eine Pilgerfahrt Tannhäusers nach Rom vorschlägt, bei der er entsündigt werden könne.

Staatstheater Wiesbaden /Tannhäuser/ Foto @ Karl_Monika Forster

Wer hier wirklich liebt und wie es Tannhäuser ergeht erfährt man im dritten Akt. Wolfram, der Elisabeth verehrt und beschützt, und Elisabeth kampieren mit einem Zelt vor einem großen schräg gestellten Kreuz in einer verschneiten Winterlandschaft. Elisabeth wartet vergebens auf Tannhäuser. Als sie ihn nicht bei den zurückgekehrten Pilgern findet geht sie in den Freitod. Wolframs Lied an den Abendstern wird zu ihrem Abgesang.

Der dann doch zurückgekehrte Tannhäuser findet nur noch ihr abgelegtes Hemd. Verbittert berichtet er Wolfram von der gnadenlosen Härte des Papstes. Er will sich wieder der Venus zuwenden, die in einer Vision erscheint, als er aber „Elisabeth“ ausruft verschwindet die Vision. Aus dem Off berichtet der Chor, er sei doch erlöst durch Elisabeths Liebe. Aber da ist Tannhäuser schon an Entkräftung gestorben.

Laufenbergs Inszenierung ist bildstark, mitunter etwas überzogen (Nackte auf der Bühne!), aber sehr kurzweilig. Die vier Stunden einschließlich zwei Pausen vergehen wie im Flug, und die Inszenierung regt zu intensiver Diskussion an.

 

  • Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Staatstheater Wiesbaden/Tannhäuser
  • Titelfoto: Staatstheater Wiesbaden /Tannhäuser/ Foto @ Karl_Monika Forster

 

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