Köln feiert Jacques Offenbach, dessen Geburtstag sich im Juni zum 200. Mal jährt, über das ganze Jahr unter dem Motto „Yes, we CanCan“ mit zahlreichen jubiläumsangemessenen Veranstaltungen, sogar weit über die Stadtgrenzen hinaus. Mit der Premiere seiner Opéra bouffe La Grande-Duchesse de Gérolstein startete nun das parallel zur Pariser Edition des Palazzetto Bru Zane stattfindende Offenbachfestival „Piff, Paff, Puff“, bei dem Kapellmeister François-Xavier Roth und sein Gürzenich-Orchester im Team mit Regisseur Renaud Doucet sowie Bühnen- und Kostümbildner André Barbe dem Werk des Operettenkönigs die nötigen musiktheatralischen Stiche mit feinem wie spitzem Degen versetzen sollten, um das Werk wieder zu dem unterhaltsamen Knaller globalen Ausmaßes zu machen, zu dem es nach der sofortigen Umarbeitung nach der Uraufführung zur Pariser Weltausstellung 1867 avanciert war.

Die Waffe ist dabei das Leitmotiv des Stücks, das – wie es sich für die Oper gehört – in die sensitiven Stellen der gesellschaftlichen Probleme piekst: dem militärischen Tamtam in Zeiten der Kleinstaaterei, deren Bürokratie, aristokratische Korruption und persönliche Animositäten dazu führen, einen Schlamassel loszutreten, der heute wie das Verhalten der Großmächte oder das Brexitchaos wirkt. So beginnt das fiktive Herzogtum Gerolstein einen Krieg mit seinem Nachbaarstaat, nur um die gelangweilte, erotisch umtriebige First Diva auf andere Gedanken zu bringen, nämlich sich nicht selbst ins politische Tagesgeschäft einzumischen. Doucet nimmt für seine Inszenierung allerdings die Klimaproteste zum Anlass, die hochaktuellen Kämpfe von damals in die heutige Zeit zu übertragen. Der Hofstaat ist darin – augenzwinkernd offensichtlich – ein (Mineral-)Wasserunternehmen, die Herzogin die Firmenchefin, die sich einen grünen Anstrich nach innen und außen verpasst hat. Ihre Management-Berater, General Boum und Baron Puck, dagegen nutzen die ihnen fremde Umweltfreundlichkeit aus, um mit dem Logo des schützenswerten Goldenen Frosches (ein weiteres Hauptmotiv) Profit zu machen und die wirtschaftlichen Geschicke, die Schlacht des Geldes und der Macht in ihrem Sinne in den Händen zu halten.

Diese Verwandlung der ursprünglichen Handlung ist zunächst lobenswert, erstreckt sie sich schließlich nicht auf den bloßen Austausch von Uniformen und Ausrüstung in die Moderne. Sie funktioniert freilich nur insoweit, dass man sich die Soldaten – mitunter stimmig als militärisch organisierte Aktivisten – als einfältige Kämpfer vorstellt, die sich vor das Unternehmen spannen lassen, Engagement und Strategie nicht hinterfragend. So drängt sich – entgegen der Regie-Intention, jedoch eben durch die Immanenz der Offenbach'schen Truppensartire, und zu streng soll man es ja wohl nicht nehmen! – der Eindruck der Lächerlichkeit auch auf Seiten der Umweltschützer auf, die in ihrem Hippie-Blumen-Urwald-Tarn im Hambacher Forst campen. Unter ihnen befinden sich später gar Gelbwesten. Ein trojanisches Pferd oder wer bringt da etwas durcheinander? In der Randale gegen „die da oben“ vereint, genauso wie Ewiggestrige am Hofe? Dass Nachdenklichkeit, Überzeichnung und politische Sartire in der Komik Offenbachs abgesehen davon trotzdem klappen, liegt am von Doucet veränderten Libretto und den deutschen Dialogen aus der Feder Dietmar Jacobs', die unter Bezugnahme auf Kölner Verhältnisse wirklich verständlich sind. Dazu kommen die neckischen Kostüme, allen voran die karneval-reminiszierenden Outfits der Großherzogin gleich einer exzentrischen, extrovertierten Wahrsagerin oder Prinz Pauls als wandelnder Hefezopf. Mit der irrwitzigen Jockey-Sause oder dem grün-weiß-pinken Farbenspiel im Palast ergibt sich ein schräges buntes Durcheinander, das doch irgendwie zu Offenbach gehört.

Das verrückte Wesen und die launige Art der Großherzogin verkörperte Jennifer Larmore vortrefflich: leicht, mit ansteckendem Lachen, was sie benötigt, um in ihrem Wahn andere zu beeinflussen und sich schließlich ihrem „Glück“ zu ergeben, Paul zu ehelichen und Fritz und Baron Grog dem ihrigen lebend zu überlassen. Mit betont französischem Flair sowie versierter Mezzotiefe bewegte sie sich timbriert und ausdrucksmäßig stimmig sprunghaft zwischen der Lifestylefrau mit Fiffi (und Leoparden-Vorzimmer-Entourage) und gekränkter Einzelgänger-CEO, die doch in jeder Hinsicht aus der Zeit gefallen scheint. Auch die unterschiedliche Natur der Verschwörer, zielsicher erfolglos in ihrem Plan vereint, kam ansprechend lustig wie überzeichnet hervor. Miljenko Turk alias Puck als deutlicher, dynamischerer, gerissen-besessener Businesstrebling, Vincent Le Texier in der Rolle des alternden, schusseligen, spießigen, staksigen, auch bass-raubeinigeren, groben Boum, der am Ende doch den Sonnenblumen-Feldherrn-Hut (das dritte Motiv) gewinnen sollte, und John Heuzenroeder in der blödeligen, lächerlich-mitleidig näselnden Figur des Paul, der sich um seinen Ruf sorgt (in dem Aufzug!). Auch der naive, lockere Wildfang Fritz sollte schließlich seine Herzensdame (Wanda, sich zierend, anständig, aber blumig im Sopran von Emily Hindrichs gegeben) erobern, obwohl er – wie in der doch so friedliebenden Schlacht – nie wirklich richtig zum Stich gelangte. Dino Lüthy überzeugte gesanglich darin mit klarem, hellem, verständlichem, schmiegsamem Tenor.

Musikalisch straff, für einen Opernchor wunderbar homogen (einstudiert von Rustam Samedov), dazu in dem flinken, melodischen, Tanz-Kapellen-Palawer groß aufgefahren und dennoch knackig präsentierte sich die Sängerschar des Hauses der Oper Köln. Präzise geführt und in selbiger strikter wie phrasierter Form spielte zudem das ab und zu in die Handlung integrierte Gürzenich-Orchester, natürlich mit besonders betontem Piccolo-, Blech- und Schlagwerkeinsatz. Dieses drehte von Bild zu Bild auch tempomäßig unter Roth immer mehr auf, sodass mit ihm – nach anfänglichem Froschquaken – schlussendlich zur Zwischenmusik im dritten Akt selbst revue- und polkamäßig die Pferde durchgingen.

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