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Hamburg

Clowneske Nase

Unterhaltsam: Karin Beier inszeniert zum Saisonstart an der Staatsoper „Die Nase“ von Dmitri Schostakowitsch

Die Hamburgische Staatsoper ist im Schostakowitsch-Fieber. Zum jüngsten Spielzeitende brachte die Oper im Juni ein Spätwerk des Russen, die Operette „Moskau, Tscherjomuschki“, an der Opera stabile heraus. Und gleich zu Spielzeitbeginn stand am Sonnabend nun auch das Frühwerk „Die Nase“ des 21-jährigen Komponisten aus dem Jahr 1927 auf dem Spielplan. Für den Intendanten Georges Delnon war das skurrile Sujet nach einer Novelle von Nikolai Gogol der ideale Stoff, um seine Vision einer genreübergreifenden Zusammenarbeit der Staatstheater Hamburgs zu realisieren.

„Oper und Schauspiel, wir sind uns heute ein Stück näher gekommen“, sagte er im Anschluss an die überwiegend positiv aufgenommene Premiere. „Da ist, wie man in Hamburg sagt, allerdings auch noch viel Luft nach oben.“ Recht hatte er, denn mit der Beauftragung der Intendantin des Hamburger Schauspielhauses und Theaterregisseurin Karin Beier war er mit der Inszenierung dieses nicht ganz einfachen Stoffes auch ein Risiko eingegangen.

Beier lieferte ein unterhaltsames Theater, mehr aber auch nicht. Sie hat das Stück um den Albtraum einer über Nacht verlorenen gegangenen Nase des Kollegienassessors Kowaljow, die sich als eigenständig handelnde Person verselbstständigt, mit vielen Bühnen- und Szeneeffekten illustriert, sie hat ihm aber keine Metaebene abgewonnen. Am Ende kam ein Bilderbuch der Groteske heraus. Kurzweilig, aber inhalts- und belanglos. Zudem war es schwierig für den unvoreingenommenen Betrachter, bei der uniformen Kostümierung der Figuren die Rollen des Einzelnen auf Anhieb zu verstehen. Vor allem aber verlor Karin Beier zunächst gut angesetzte Erzählstränge und verstrickte sich in albern hinzugedichteten Textpartien etwa des Chosrow Mirza (Kristof Van Boven) am Ende.

Zu Beginn dominierten als Statisten und Tänzer sowjetische und mit Maschinengewehren bewaffnete Soldaten und man hätte vermuten können, dass Beier damit die Unterdrückung auch des Komponisten Schostakowitsch zu Zeiten des Diktators Stalin reflektieren wollte. Im weiteren Verlauf der Oper aber verschwanden diese Figuren so spurlos, als hätte Stalin selbst Regie geführt.

Das Geschehen um den verzweifelt nach der verlorenen Nase suchenden, vom Bariton Bo Skovhus beeindruckend gespielten und gesungenen Kowaljow verlagerte sich unlogisch plötzlich nach Hamburg, wo er in gelungenen Videosequenzen von Meika Dressenkamp und Severin Renke plötzlich auf dem Rathausmarkt und im Alten Elbtunnel seinem verloren gegangenen Körperteil hinterherjagte. Die Nase selbst erschien sowohl als Staatsrat, lebendig gesungen von Bernhard Berchtold, als auch als Tanzrolle von Sean Nederlof, der sich immer mal wieder von seiner gigantischen Nase als Körperhülle befreite und die Emotionen des Körperteils tänzerisch zur Geltung brachte.

Andreas Conrad als an der Jagd entschlossen beteiligter Polizeikommissar, Levente Páll als Redaktionsleiter einer Zeitung, die Kowaljows Geschichte einfach nicht drucken will, gaben dem Stoff schauspielerisch und sängerisch die nötige Schärfe. Beier nutzte den Raum, der ihr zur Verfügung stand, voll aus. Sie ließ sogar einen Polizeivertreter vom Rang aus singen. Allerdings verlagerte sie manche Figuren zu weit in den Bühnenhintergrund, so dass sie von den hervorragend aufgelegten Philharmonikern dynamisch überdeckt wurden. Kent Nagano gebührt Lob für den Kontrastreichtum, aber auch die Kantigkeit seines Schostakowitsch-Klangbilds, bei dem die neun Schlagzeuger im Übergang zum 2. Akt nicht vom Orchestergraben sondern von der Bühne aus spielten.

Termine: 10., 13., 23., 26., 28. September

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