„Carmen“ in Wiesbaden – Lieben. Betteln. Töten.

Staatstheater Wiesbaden/CARMEN/Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden/Foto: Karl & Monika Forster

Eine Frau, der ihre Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung über Alles geht, deren Verliebtheit eine Halbwertzeit von hochgegriffen sechs Monaten hat. Ein eifersüchtiger Mann, der um ihre Liebe bettelt und sie ersticht, weil er nicht bekommt, was er will. That´s it. (Rezension der Premiere v. 14.9.2019

 

CarmenOpéra comique in drei oder vier Akten von Georges Bizet

Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der Novelle (1845) von Prosper Mérimée

Sevilla (Spanien) um 1820

Uraufführung am 3. März 1875 in Paris an der Opéra-Comique

Besuchte Vorstellung: Premiere am 14. September 2019

Besetzung

Don José, Brigadier (Tenor) – Sébastien Guèze
Escamillo, Torero (Bariton) – Christopher Bolduc
Dancairo, Schmuggler (Bass) – Julian Habermann
Remendado, Schmuggler (Tenor) – Ralf Rachbauer
Moralès, Sergeant (Bariton) – Daniel Carison
Zuniga, Leutnant (Bass) – Philipp Mayer
Lillas Pastia, Schankwirt (Sprechrolle) – Thomas Braun
Carmen, Zigeunerin (Mezzosopran) – Lena Belkina
Micaela, Bauernmädchen (Sopran) – Sumi Hwang
Frasquita, Zigeunerin (Sopran) – Shira Patchornik
Mercédès, Zigeunerin (Sopran) – Silvia Hauer
Manuela, Zigeunerin (Sopran) – Anna-Lena Owen


Chor und Extrachor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, Leitung Albert Horne
Jugendkantorei der Evangelischen Singakademie Wiesbaden, Leitung Jörg Endebrock

Hessisches Staatsorchester Wiesbaden unter der Leitung von GMD Patrick Lange

Inszenierung Uwe Eric Laufenberg

Staatstheater Wiesbaden/CARMEN/Sébastien Guèze, Philipp Mayer, Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden/Foto: Karl & Monika Forster

 

Die Inszenierung

Ein fulminanter Einstieg in den Abend ist der Stierkampf-Film (Gérard Naziri) zur Ouvertüre. Nach dessen Ende (sic) gab es die ersten Buhs.

Micaelas Auftritt zu Beginn, wenn sie im Auftrag von Josés Mutter unter den Soldaten nach ihm sucht und dabei sehr eindeutig von den Soldaten bedrängt und begrabscht wird, ist für mich die stärkste Szene des Abends. Weiterhin wurde aber konventionell inszeniert.

Der Bühnenraum von Gisbert Jäkel ist leer bis auf einen im Hintergrund aufgebauten halbrunden und seltsamerweise konkaven Säulenbau mit riesigen doppelflügeligen Türen. Hinter diesen Türen befindet sich die Zigarettenfabrik, die Stierkampfarena, aus diesen Türen kommen die Soldaten, die Fabrikarbeiterinnen, und sie verschwinden auch wieder hinter diesen Türen.

Für die etwas subtileren Auftritte wird ein großer rechteckiger Kubus auf die Bühne geschoben, vor und hinter dem, für den Zuschauer zunächst verborgen, die nächste Spielszene aufgebaut wird, eine Bar, ein Schlafzimmer. Das alles passiert lautlos, die Drehbühne fährt den Kubus in die richtige Position.

Die Soldaten stecken in Uniformen, die mich an die Marine denken lassen (Kostüme von Antje Sternberg und Louise Buffetrille). Bei den Kostümen der Damen wird erfreulicherweise auf jeden Flamenco-Anklang verzichtet, frau trägt den Temperaturen in Sevilla entsprechende Kleidung.

Nicht zuletzt oder vielleicht sogar in der Hauptsache geht es in der Oper Carmen um Verführung, um die Verführung der erotischen Art, um die Verführung zur Desertation. Die Erotik bleibt aber in dieser Inszenierung komplett auf der Strecke. Es reicht eben nicht, sich gefühlt hundert Mal die Haare aus den Gesicht zu werfen, es reicht nicht, unbeholfen mit dem Fuß aufzustampfen und einen Arm in die Luft zu recken.

Und es reicht erst recht nicht, zum Vorspiel des dritten Akts Carmen und José nackt oder halbnackt und erschöpft auf den Boden vor dem roten Bett zu legen. Für diese Sekunden hat man darauf verzichtet, die Schmuggelware hinter dem Kubus bereits in der Pause aufzubauen. Aber ok, kann man machen, work in progress eben.

Staatstheater Wiesbaden/CARMEN/ Sébastien Guèze, Sumi Hwang/Foto: Karl & Monika Forster

Gut wird es immer, wenn die Erotik keine Rolle mehr spielt, wenn es ums Überleben geht. Und das geht vornehmlich mit den Auftritten Micaelas einher. Was für eine wunderbare Sängerin Sumi Hwang doch ist, nicht umsonst hat sie 2014 den Concours Reine Elisabeth (Königin-Elisabeth-Wettbewerb) in Brüssel gewonnen.

Ein wenig Flamenco-Flair gibt es am Ende doch auch noch, wenn Carmen im rot-schwarzen Kostüm mit Rüschenrock ihren nächsten Geliebten Escamillo zu dessen Stierkampf begleiten will. Beim Streit mit José wird der Rock wie eine Muleta eingesetzt und Carmen stirbt erdolcht erstochen wie der Stier in der Arena.

Was am Ende bleibt ist die wirklich schöne Musik, all die Schlager natürlich die alle kennen, wunderbare Instrumentierung, sehr gut gespielt vom Hessischen Staatsorchester Wiesbaden.

Orchesterbesetzung 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Pistons (Kornett), 3 Posaunen, Pauken, Schlagwerk (Becken, Triangel, große Trommel, kleine Trommel, Tamburin, Kastagnetten), 2 Harfen, Streicher, Bühnenmusik: 2 Pistons, 3 Posaunen

Ein besonderes Lob geht an die sehr agil singende und spielende durchweg blondschopfige Jugendkantorei.

 

 

 

  

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