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Madama Butterfly

Tragedia giapponese in drei Akten
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
nach der Kurzgeschichte Madame Butterfly von John Luther Long
und dem darauf basierenden Einakter Madame Butterfly. A Tragedy of Japan von David Belasco
Musik von Giacomo Puccini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 15. September 2019
(rezensierte Aufführung: 18.09.2019)




Theater Dortmund
(Homepage)
Betrogene Illusionen

Von Thomas Molke / Fotos von Thomas M. Jauk (© Stage Picture)

Puccinis Madama Butterfly gehört heute zu den bekanntesten Werken der Opernliteratur, und der Komponist selbst betrachtete dieses Stück als seine emotionalste Oper. Dabei war sie - ähnlich wie Bizets Carmen - bei der Uraufführung am 17. Februar 1904 in der Scala in Mailand ein absoluter Reinfall. Es ging sogar so weit, dass nicht nur die weiteren Aufführungen abgesagt wurden, sondern auch Puccini und seine Librettisten dem Theater die entstandenen Kosten erstatteten und Puccini selbst sein Honorar zurückzahlte. Doch Puccini glaubte weiterhin an sein Werk, arbeitete die ursprünglich zweiaktige Fassung auf drei Akte um und verzichtete auf zahlreiche politische Anspielungen mit kritischem Unterton. So wandelte sich der leicht kitschige Blick auf ein naives unschuldiges Mädchen zu einer tragischen Geschichte einer jungen selbstbestimmten Frau, und etwa drei Monate später trat das Werk von Brescia aus einen Siegeszug um die ganze Welt an. Nachdem die Oper Dortmund die erste Spielzeit unter der Intendanz von Heribert Germeshausen mit Verdis Aida eröffnet hat, steht auch am Beginn der zweiten Saison ein namhafter Klassiker des Opernrepertoires, der ein Frauenschicksal eindrucksvoll ins Zentrum rückt.

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Pinkerton (Andrea Shin) posiert vor seiner neuen Errungenschaft Cio-Cio-San (Sae-Kyung Rim).

Für die Inszenierung ist erneut der japanische Regisseur Tomo Sugao verpflichtet worden, der in der letzten Spielzeit in Dortmund Puccinis Turandot in Szene gesetzt hat. Er siedelt die Geschichte in einem Fantasie-Japan an, in dem eine riesige Winkekatze, Sumo-Ringer, Ninjas und Mangas ein zwar vielleicht verbreitetes, dabei allerdings falsches Klischee des fernöstlichen Landes vermitteln. Frank Philipp Schlößmann konzipiert die Bühne aus zahlreichen verschiebbaren Wänden, die teilweise an ein Labyrinth erinnern, mit ihrer Kastenstruktur aber auch eine Art Käfig bilden, in dem Cio-Cio-San wie ein Ziervogel gehalten wird. In einer riesigen Projektion der Freiheitsstatue auf die Rückwand wird ein Sehnsuchtsbild für Butterfly geschaffen, die quasi bis zum Schluss daran glaubt, dass Pinkerton ihr die Treue gehalten habe und eines Tages zu ihr zurückkehren werde. Während die Wände im ersten Akt noch mit weißer Folie überzogen sind und ein intaktes Haus darstellen, bekommt diese Fassade im zweiten Akt bereits Risse. Löcher in der Folie deuten an, dass sich Cio-Cio-Sans Ersparnisse während ihrer Zeit des Wartens dem Ende nähern. Plakate der Freiheitsstatue sollen an den Wänden den Verfall verbergen, und kleine Schiffe, die aus diesen Plakaten gebastelt worden sind, zeigen die große Hoffnung, die Cio-Cio-San auf die Rückkehr Pinkertons setzt.

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Pinkerton (Andrea Shin) zwischen Butterfly (hier: Anna Sohn, vorne) und Kate (Penny Sofroniadou, hinten)

Die Rolle von Pinkertons späterer Frau Kate wird in der Inszenierung enorm aufgewertet. So lässt Sugao sie bereits im ersten Akt in ihrem Hochzeitskleid immer wieder auftreten, was eigentlich überhaupt keinen Sinn macht. Der Zuschauer würde auch ohne diesen Regie-Einfall verstehen, dass Pinkerton es mit Cio-Cio-San nicht ernst meint. Es reicht, ihn als selbstverliebten Gecken zu zeichnen, der stets vor seinem Handy posiert und mit dunkler Sonnenbrille coole Selfies macht. Auch wenn im zweiten Akt Butterfly auf Pinkertons Rückkehr wartet, bleibt es eher unmotiviert, Kate und Pinkerton bereits hier auftreten zu lassen, als wenn sie schon längst in Japan angekommen wären oder das Land vielleicht gar nicht verlassen hätten. Die Idee vor dem dritten Akt hingegen erweist sich als schlüssig. Im musikalischen Zwischenspiel wird angedeutet, dass Kate schwanger ist, das Baby allerdings noch vor der Geburt verliert. So wird motiviert, wieso Pinkerton und sie Butterflys Sohn mitnehmen wollen. Dieser wird optisch in seinem beigefarbenen Soldaten-Outfit als Abbild seines Vaters gezeichnet und tritt erstmals unter einer riesigen US-amerikanischen Flagge auf. Doch Cio-Cio-San macht den beiden einen Strich durch die Rechnung. Sie tötet nicht nur sich, sondern auch ihren Sohn, so dass Pinkertons entsetzte Rufe am Ende wohl eher dem Tod des Kindes gelten dürften.

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Butterfly (hier: Anna Sohn, rechts) wartet mit Suzuki (Hyona Kim, links) vergeblich auf Pinkertons Rückkehr.

Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Philipp Armbruster findet mit den Dortmunder Philharmonikern einen wunderbaren Mittelweg zwischen emotionsgeladenem wuchtigen Klang aus dem Graben, der die Solisten in keinem Moment überdeckt, und sehr intimen Momenten, die die Tragik des Stückes regelrecht spürbar machen. So legt er die US-amerikanischen Motive sehr patriotisch an, während die japanischen Momente musikalisch einen starken Kontrast bilden. Die Titelpartie ist in der zweiten Aufführung mit der Koreanerin Sae-Kyung Rim besetzt, die ebenso wie die andere Besetzung, Anna Sohn, in Dortmund als Liù in der letzten Saison in Turandot zu erleben war. In der berühmten Arie im zweiten Akt, "Un bel di vedremo", punktet Rim mit großer Dramatik und glänzt mit höhensicherem Sopran und intensiver Darstellung. Gleiches gilt für ihren Schlussgesang "Tu, tu, piccolo iddio". In der Mittellage interpretiert sie die Partie mit nahezu dunklem Sprechgesang, so dass deutlich wird, dass Butterfly keineswegs ein kleines naives Mädchen ist, sondern ganz bewusst ihre Entscheidungen trifft. Während der langen Zeit des Wartens trägt sie das Kreuz über ihrem mittlerweile zerschlissenen weißen Hochzeitskleid, mit dem sie sich von ihrer eigenen Religion und Gesellschaft abgewandt hat. Absolut stolz präsentiert sie sich auch dem Fürsten Yamadori (Min Lee mit leichtem Tenor) gegenüber, der sie mit zwei Leibwächtern und Koffern voller Geld gewinnen will, aber von ihr aus dem Haus gejagt wird.

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Sharpless (Mandla Mndebele, rechts) versucht, Pinkerton (Andrea Shin, links) zurückzuhalten.

Die Partie des Pinkerton ist zwar charakterlich im Gegensatz zur Butterfly eine absolut undankbare Rolle. Wenn man allerdings über einen Tenor wie Andrea Shin verfügt, kann man der Figur doch einiges nachsehen. Shins Höhen lassen keinerlei Wünsche offen und strotzen nur so vor strahlender Kraft. Da kann man durchaus nachvollziehen, dass Butterfly seinem Charme erliegt, auch wenn Shin den Marineleutnant szenisch absolut überheblich und selbstverliebt anlegt. Wie er während der Ouvertüre die in eine Art weißen Kokon gehüllte Butterfly aus einer Reihe Geishas auswählt und nach seinen Vorstellungen ausstaffiert, unterstreicht sein unsympathisches Wesen. Hyona Kim hat als Suzuki in der Personenregie leider keine Möglichkeit, der Figur ein paar kritische Untertöne zu geben. Auch sie lässt sich von Pinkerton blenden und wirkt selbst bei der Begegnung mit ihm und seiner Frau im dritten Akt eher wie ein störrisches Kind, wenn sie sein Ansinnen, ihr Butterflys Kind zu bringen, ablehnt. Stimmlich begeistert Kim durch einen dunklen Mezzo, der vor allem im Duett mit Rim am Ende des zweiten Aktes zu einer bewegenden Innigkeit findet. Mandla Mndebele überzeugt als Konsul Sharpless mit markantem Bariton und bewegendem Spiel. Dabei macht er sehr deutlich, dass er Pinkertons Verhalten Butterfly gegenüber unverantwortlich findet. Einen überzeugenden inneren Kampf durchlebt er, wenn er versucht, Butterfly Pinkertons Brief vorzulesen, und es nicht fertig bringt, ihr zu sagen, dass dieser nicht zu ihr zurückkehren wird. Penny Sofroniadou, Fritz Steinbacher und Denis Velev überzeugen in den kleineren Partien als Kate, Goro und Onkel Bonzo. Der von Fabio Mancini einstudierte Opernchor begeistert durch homogenen Klang und intensives Spiel, unter anderem auch mit kleinen solistischen Einlagen. So gibt es im auch bei der zweiten Aufführung mitten in der Woche gut gefüllten Haus am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Musikalisch überzeugt der Abend auf ganzer Linie. Szenisch gehen nicht alle Regieeinfälle auf, aber insgesamt findet Sugao einen passenden Zugang zur Geschichte, ohne sie gegen den Strich zu bürsten.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Feltz /
*Philipp Armbruster

Regie
Tomo Sugao

Bühne
Frank Philipp Schlößmann

Kostüme
Mechthild Seipel

Licht
Florian Franzen

Chor
Fabio Mancini

Dramaturgie
Merle Fahrholz

 

Dortmunder Philharmoniker

Opernchor des Theater Dortmund

Statisterie und Kinderstatisterie
der Oper Dortmund

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Madama Butterfly (Cio-Cio-San)
Anna Sohn /
*Sae-Kyung Rim

Suzuki, Dienerin der Cio-Cio-San
Hyona Kim

Kate Pinkerton
*Penny Sofroniadou /
Wendy Krikken

B. F. Pinkerton, Marineleutnant der U.S. Navy
*Andrea Shin /
James Lee

Sharpless, amerikanischer Konsul in Nagasaki
Mandla Mndeble

Goro, Heiratsvermittler
Fritz Steinbacher

Onkel Bonzo
Denis Velev

Fürst Yamadori
Min Lee

Onkel Yakusidé
Ian Sidden

Der kaiserliche Kommissar
Hiroyuki Inoue

Der Standesbeamte
Juyoung Kim

Mutter Cio-Cio-Sans
Natascha Valentin

Tante Cio-Cio-Sans
Hitomi Breitzmann

Cousine Cio-Cio-Sans
Keiko Matsumoto

 


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



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