1. Startseite
  2. Kultur
  3. Musik

„Tristan und Isolde“ in Köln: Diese fade Unruhe

KommentareDrucken

Es ist kein Liebestrank, es ist bloß Leitungswasser. Tristan und Isolde in ihren Kajüten. Foto:
Es ist kein Liebestrank, es ist bloß Leitungswasser. Tristan und Isolde in ihren Kajüten. © Bernd Uhlig

Richard Wagners „Tristan und Isolde“ missglückt an der Oper Köln szenisch auf ganzer Linie, musikalisch zeigen sich Reize.

Wenn sich die Liebe zwischen Tristan und Isolde in Richard Wagners entsprechender Oper nicht erfüllt, so muss es dafür gute Gründe geben. Denn die Liebe zwischen Tristan und Isolde ist die sich erfüllendste Liebe aller Zeiten. Die sich erfüllendste und die bedingungsloseste, denn grammatikalische Bedenken können sie nicht aufhalten. Auch ein Wort wie „zwischen“ kann nur ein Behelf für Außenstehende sein, da zwischen Tristan und Isolde bekanntlich nichts mehr passt.

Drängt sich doch etwas dazwischen, ein anderer Mann, ein Ehemann, so wechseln Tristan und Isolde ohne Zögern vom Leben in den Tod. Tristan schlägt es vor, Isolde ist dabei. Dieser Moment, in dem Marke, das ist der andere Mann, sich die Seele aus dem Leib gejammert hat und Tristan und Isolde sich nicht darum scheren, auch die Musik sich nicht darum schert, demonstriert dem Nichtliebenden die ganze Härte der Liebe. Wenn sich die Liebe zwischen Tristan und Isolde also nicht erfüllt, so muss es dafür sehr gute Gründe geben.

Es sind keine guten Gründe, wenn die Kajütenwände eines Schiffes das Zusammenkommen penetrant verhindern, wenn andererseits die Figuren gelegentlich aneinander vorbei müssen, und das geht dann auf einmal doch, aber sie müssen so tun, als könnten sie sich gar nicht sehen. Und das bei dieser im Prinzip ja so erheblichen Sehnsucht nacheinander. Es sind jedenfalls keine guten Gründe, wenn die Regie daraus keine guten Gründe macht. Wenn nämlich dieses Hier-und-dort-Sein und dieses Dann-mal-wieder-Rübergehen noch dazu in Spannungslosigkeit geschieht.

Dazu erweist sich die Bühne von Darko Petrovic als erstaunlich umständlich. Selbst wenn eine Figur zur Abwechslung einmal auf einem der grünen Hügel links oder rechts vom aufgeschnittenen Schiff steht und zum Beispiel wieder auf das Schiff will, so muss sie erst die Gegenrichtung von der Bühne weg einschlagen, um dann von unten wieder aufzutauchen. Die ständigen Wiederholungen machen den Mangel augenfällig, ein Mangel, für den man nichts bekommt. Alles in einer lahmen Dauerbewegung zu halten, eine Art fade Unruhe zu inszenieren, zu der immer mal wieder ein in rätselhafter Bewegungssprache querender Matrosentrupp gehört und eine unbegreifliche Doppelung der Frauenfiguren: riskant.

Dabei sieht es zunächst gut aus im Staatenhaus, dem zur Gewohnheit gewordenen Ausweichquartier der Kölner Oper, wo Patrick Kinmonth Regie führt (dem die finstere Ausstattung zum großen Kölner Carson-Kinmonth-Ring zu verdanken ist). Die Kabinen sind spartanisch eingerichtet, davor eckige Meereswellen, auf denen sich gelegentlich schaumige Projektionen verfangen und hinter denen Teile des Gürzenich-Orchesters zu sehen sind. Isolde und Brangäne tragen folkloristisch ausladende Kleider, Tristan ist in legerem Schwarz (Kostüme: Annina von Pfuel).

Dann kommt eine gute Idee: Obwohl Brangäne geschäftig herumhantiert, besteht der Liebestrank letztlich bloß aus Leitungswasser, individuell gezapft in den beiden zu diesem Zeitpunkt benutzten Kajüten. Es gibt keinen Zauber außer der Liebe selbst. Bevor alles verläppert, ist dem etwas abzugewinnen, auch die unaggressive (nachher würde man sagen: die unbeteiligte) Grundhaltung der Figuren gehört dazu: Die Zuneigung steht quasi bereits im Raum, also in den Räumen, und die Musik spiegelt sie, indem François-Xavier Roth das Orchester zu einem irritierend, aber auch faszinierend gedämpften, ausdifferenzierten Ton animiert. Gleichwohl nimmt die Musik Schaden.

Denn dann kommt keine gute Idee mehr. Man geht je nachdem behäbig und leichtfüßig, man sitzt sehr viel, und wie die Bewegungen zunehmend an die Statisten abgegeben werden, ist entlarvend. Gesungen wird aber schön, und man hat es mit einem originellen Titelpaar zu tun, das einen größeren Abend verdient hätte. Gegen Ende seiner Karriere singt der Tenor Peter Seiffert, im Januar 65 geworden, immer noch einen ziemlich imposanten Tristan, höhensicher und technisch natürlich immens versiert. Wenn die Stimme wankt, in leisen Momenten, in der finalen Erschöpfung, so ist das nichts, das nicht auch vielen jüngeren Tristans widerfährt. Ein spätes, aber geglücktes Isolde-Debüt gibt hingegen die Schwedin Ingela Brimberg mit großer, reifer, angenehm dunkel timbrierter Stimme.

Karl-Heinz Lehner singt seinen Marke engagiert und markant, bleibt aber ohne szenische Chance. Als Berserker und mit Heldenbariton ist Samuel Youn ein raumgreifender Kurwenal, während Claudia Mahnke als Brangäne – obwohl auch sie herumstreifen muss – ein ruhiges Mitleiden vermittelt, das hier praktisch Mehrfachbedeutung bekommt. Der Beifall: kühl, sehr kurz.

Oper Köln im Staatenhaus: 28. September, 3., 6., 11., 13. Oktober. www.oper.koeln

Auch interessant

Kommentare