„Ich habe ein Beruhigungsmittel gefunden, das mir endlich geholfen hat, nachts zu schlafen; es ist die aufrichtige und innige Sehnsucht nach dem Tod: völlige Bewusstlosigkeit, völlige Vernichtung, das Ende aller Träume – die einzige endgültige Erlösung.“ So schreibt Richard Wagner an Franz Liszt am 16. September 1854, nach eingehender Beschäftigung mit Schopenhauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung, dessen zentrale Maxime die Verneinung des Willens zum Lebens ist. „Alles Leben ist Leiden” scheint auch Wagners Leitspruch zu sein, der sich während seiner Arbeit an Tristan und Isolde im Exil in Zürich aufhielt. Eine Zeit, die geprägt war von vergeblichen künstlerischen Bemühungen und vereitelten Affären.

Die Todesmetaphysik Schopenhauers und seine nihilistische, pessimistische Philosophie verbunden mit seiner These, dass wir uns durch unsere Erfahrungen und Wahrnehmungen eine individuelle Realität konstruieren, sind essentiell für das Verständnis von Tristan und Isolde und spiegeln sich klar in Patrick Kinmonths Inszenierung an der Oper Köln wieder. Tristan und Isolde erleben eine Art gemeinsames Alleinsein. Jeder erlebt seine Liebe zu dem anderen ganz allein, nur mit sich selbst und schafft sich eine eigene Liebesrealität im Diesseits. Erst im Jenseits können beide vereint sein, was durch die Todessehnsucht beider zum Ausdruck gebracht wird.

Kinmonth verbindet die Inszenierung mit Erinnerungen aus seinem eigenen Leben. Der Regisseur als Sohn eines Iren und einer Engländerin verarbeitet so auch seine Seereisen während seiner Kindheit zwischen England und Irland. Passenderweise ist das Schiff eine Rekonstruktion des Schiffs, auf dem er diese Reisen erlebte und wird so zu einer Art eigener Vergangenheitsbewältigung.

Die Oper Köln hat in seiner Interimsspielstätte im Staatenhaus für diese Produktion eine elegante Lösung gefunden. Das Bühnenbild von Darko Petrovic nutzt die ungewöhnliche Architektur des Hauses und schafft eine Bühne, die die ganze Breite des Saals ausnutzt und das Orchester geschickt in ihr integriert. Der Fokus liegt auf den vier Kabinen, die in ihrem Querschnitt das Schiff aus der Kindheitserinnerung des Regisseurs andeuten. In ihnen spielt sich der Großteil der Handlung ab. Sie begegnen sich nicht, schauen sich nicht in die Augen oder berühren sich gar. Stets räumlich getrennt und umgeben von der rauen See – abstrakte, pyramidenförmige Wellen, die eine schroffe, erbarmungslose See darstellen – scheinen sie das Schiff nicht verlassen zu können. Ihr Leben ist eine einzige Reise, ohne Anfang und Ende. Das Leben ist nur der Weg zum Tod und dieser ist keinesfalls das Ende des Lebens, lediglich das Ende des irdischen Daseins. Subtile Videoprojektion – Wellen, Gischt und Haie – lassen das statische Bühnenbild lebendiger erscheinen und lockern die teils wenig kurzweilige Inszenierung und spröde Personenregie zeitweilig auf. Zusätzlich versetzt Kinmonth seine Produktion mit zahlreichen Symbolismen. So erscheint Isolde beispielsweise mehrfach als junge und gealterte Frau auf der Bühne. Raum und Zeit scheinen auf diesem Schiff keine Rolle zu spielen und vollkommen aufgelöst zu sein.

Die schwedische Sopranistin Ingela Brimberg debütierte mit dieser Produktion als Isolde und wartete mit einer kraftvoll voluminösen, aber recht metallischen Stimme auf. Trotz einiger angestrengt wirkender Passagen war es dennoch ein hörenswertes Rollendebüt. Peter Seiffert hingegen sang beeindruckend musikalisch mit einer agilen aber auch kraftvoll auftrumpfenden Stimme und nahezu perfekter Diktion. Er klang einfühlsam, hatte eine mühelos und frei fließende Stimme und stellte erneut unter Beweis, dass er einer der besten Heldentenöre unserer Zeit ist. Karl-Heinz Lehner trat als gefühlskalter, distanzierter König Marke auf, der nicht hinter seine eigene Gefühlsfassade blicken ließ. Nur seine Stimme ließ in ihrer Reichhaltigkeit auf sein inneres Empfinden schließen und beeindruckte mit seinem sonoren Bass. Brangäne wurde von der erfahrenen Wagnersängerin Claudia Mahnke gesungen. Mit detailliertem Spiel und überzeugender Gestaltung verlieh sie ihrer Rolle die nötige Präsenz. Die Mezzosopranistin ist eine Brangäne, die keine Wünsche offenlässt und ihre klare, emotionsreiche Stimme mit elegantem Legato reihte sich in das hohe gesangliche Niveau des Abends ein.

Das unangefochtene Highlight des Abends war zweifellos das Dirigat von François-Xavier Roth, der mit dem Gürzenich-Orchester Köln geradezu sehnsuchtsvolle und erlösungsverheißende Klänge verbreitete. Beginnend mit einen feingliedrigen Vorspiel schuf er einen Spannungsbogen, der sich stetig steigernd, besonders im dritten Akt dramatisch in einem entfesselten, überwältigenden Orchesterklang entlud. Er lieferte ein überaus sängerfreundliches Dirigat, stets bedacht darauf, die Stimmen nicht zu überdecken, sondern einen komplimentierenden Klangteppich zu bilden, wobei er auf einen satten Streicherklang und präsente Blechbläser setzte. Roth weiß genau, was er will, er verlangt einiges von seinem Orchester ab, dieses folgt ihm jedoch überaus agil und liefert so einen Wagner ab, er sich im Vergleich mit anderen renommierten Orchestern nicht verstecken muss.

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