Wagners Held Tannhäuser in Nöten: Marco Jentzsch präsentiert dessen emotionale Seite packend.

Fessl

Auf den Text kann sie sich nicht berufen, aber originell ist sie, die Tannhäuser-Deutung von David Bobee am Klagenfurter Stadttheater: Wo Wagner "die ursprüngliche spirituelle Kraft des Christentums als Lösung und Ausweg präsentiert, sehe ich nichts als eine Welt, die von Regeln besessen ist", stellt der Franzose von vornherein fest. So erleidet Elisabeth, die hier eben keineswegs den moralischen Gegenpol zu Venus darstellt, am Ende mit Tannhäuser das Martyrium, das eine verklemmte (patriarchale) Gesellschaft allem Libertinismus bereitet. Bobee: "zwei brutale, nutzlose, sinnlose Tode".

Schön, dass das Publikum mit Begeisterung reagiert. Auch wenn ein Hauptgrund dafür in der musikalischen Umsetzung unter Nicholas Carter liegt, der mit dem Kärntner Sinfonieorchester und dem hauseigenen Chor allen Emotionen freien Lauf lässt.

Fruchtwasserbad

Da gibt es also auf der vom Regisseur selbst eingerichteten Bühne ein paar Dinge, die man so nicht erwartet. Es strömen die Farben im Venusberg, als hätten wir Einblick in das Rote Zelt der Frauen, Bobee spricht in Bezug auf die digitalen Animationen im Hintergrund auch von einem "Fruchtwasserbad", aus dem Tannhäuser offenbar nur tauchen kann, um sich immer wieder danach zurückzusehnen. Das Bad bleibt den ganzen Abend. Es wäscht dem Geistlichen, der die Pilger führt, bis zur Nacktheit den Ornat vom Leib. Es pritschelt als Quell des Lebens, wenn Elisabeth die geltenden Sitten verletzt, indem sie den Heimkehrer aus dem Venusberg beim Stelldichein küsst.

Prachtvoll das Klangerlebnis: Nicholas Carter feiert jedes Detail, jedes Crescendo, jede verzögernde Pause, jeden Befreiungsschlag der Becken mit innigster Einfühlung. Marco Jentzsch erfüllt die Titelpartie mit allen Facetten der Leidenschaft wie der Gewissensqualen. Sebastian Wartigs Wolfram von Eschenbach ist dem Regisseur vielleicht ein wenig zu warm, aber er ist ja auch nicht nur Verteidiger der Regeln am Hof des Landgrafen von Thüringen (Luciano Batinic mit makellosem Bass), sondern geht auch fast mit der unglücklich geliebten Elisabeth in den Freitod.

Eigentlich aber liegt der Fokus der Produktion auf den beiden Frauen, nicht mehr als Entweder-oder, überhöht oder verdammt, sondern als ein einziges Bild der Frau, erweitert um das, was Männer daran bisher unterdrücken wollten. Dafür singen sich Joo-Anne Bitters Elisabeth und Irene Roberts Venus sehr verführerisch die Seele aus dem Leib. (Michael Cerha, 27.9.2019)