Kritik:Sieg und Lieben

Kritik: Der Bauer und seine Tochter: Christoph Seidl und Sophie Mitterhuber in Orffs Kammeroper.

Der Bauer und seine Tochter: Christoph Seidl und Sophie Mitterhuber in Orffs Kammeroper.

(Foto: Christian Pogo Zach)

Carl Orffs "Die Kluge" gefällt in einer neuen Fassung an der Studiobühne des Gärtnerplatztheaters

Von Klaus P. Richter

Ein Bauer findet einen goldenen Mörser aus dem Königshof - aber ohne den Stößel. Er bringt ihn dem König zurück, obwohl ihn seine kluge Tochter warnt: "Er wird sagen, du hast den Stößel für dich behalten". Und so geschieht es - der Bauer landet im Kerker. Der jammert "Oh hätt' ich meiner Tochter nur geglaubt" und macht so den König neugierig auf das kluge Kind. Die bezirzt den Herrscher mit Eros und Kalkül, wird schließlich seine Frau, dann verstoßen wegen einiger Spitzbubenintrigen, bleibt aber am Ende Siegerin aus Liebe und Klugheit.

Carl Orff hat die spritzige Kammeroper "Die Kluge" nach einem Märchen der Gebrüder Grimm als Parabel von feudaler Tyrannis contra Untertanenrecht und Eros contra List komponiert. Aber sie ist durchtränkt mit seinen Erlebnissen aus einer heftigen Liebesaffäre mit einer klugen jungen Muse, wie der kundige Orff-Schüler Wilfried Hiller im Programmheft mitteilt. Er hat jetzt zusammen mit Paul Leonhard Schäffer eine Fassung in neuem Klanggewand erstellt: statt 70 Musikern nur 15, genau passend für die Studiobühne des Gärtnerplatztheaters. Dabei blieben aber alle idiomatischen Finessen von Orffs Partitur von Glöckchen bis Piccoloflöte, Kontrabassfagott, Trompetenfanfaren samt viel Percussion erhalten. Reduziert sind nur die Besetzungsstärken.

In der Uraufführung dieser Fassung befeuerte Andreas Kowalewitz das Ensemble mit Brio und Präzision. Ein Farbencode mit dem König ganz in Schwarz (souverän: Bariton Matija Meić) und der klugen Bauerntochter in unschuldigem Weiß (Sophie Mitterhuber mit nobler Sopran-Lyrik) markiert die Dialektik der Konstellation. Das Buffo-Trio der drei Strolche (Gyula Rab, Stefan Bischoff, Holger Ohlmann), deren surreale Intrige mit weiblichen und männlichen Mauleseln zu tun hat, glänzt mit vokaler und szenischer Brillanz. Carl Orff ließ sich dafür von den legendären Comedian Harmonists inspirieren, legt ihnen allerdings recht lose Texte in den Mund ("Tyrannis führt das Szepter weit" bis "Tugend ist des Lands vertrieben, Untreu und Bosheit sind verblieben"): allerhand politkritische Brisanz für eine Uraufführung im Jahr 1943.

Ideal besetzt sind der Bauer mit dem rauen Bass von Christoph Seidl und den biederen Tenören der Eselsbesitzer (Juan Carlos Falcón und Daniel Gutmann). Klug aber hat auch der junge österreichische Regisseur Lukas Wachernig nicht nur die lapidare Szenerie gestaltet (Bühne und Kostüme: Stephanie Thurmair, und eine einfallsreiche Lichtregie: Jakob Bogensperger), sondern das symbolträchtige Finale der Parabel. Er ersetzt Orffs Schluss, wo der verlorene Stößel - gut freudianisch - schließlich zum Mörser findet, durch eine Epiphanie der weiblichen Klugheit als strategische Liebeserfüllung: die Bauerntochter als strahlende Königin mit Krone auf dem Thron über einem düpierten König zu ihren Füßen.

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