Ernst Krenek, der die Oper als „Kunstwerk der Gattung Theater“ sah, um „mit souveräner Verachtung der Wirklichkeit das Unmögliche anzustreben und Unausführbares zu wünschen“, erreichte dies mit seinen drei Kurzopern, die unterschiedlicher nicht sein können und die Grenze zwischen Realität und Traum auflösen. Stattdessen laden sie ein in eine Welt des Surrealen, der Märchen und des Grotesken – jedoch nicht, ohne dem augenscheinlich burlesken Sujet gesellschaftskritisch und mit geradezu erschreckend feinfühliger politischer Vorausahnung zu begegnen.

Vor drei Jahren erstmals in Frankfurt aufgeführt und bei den International Opera Awards 2018 zur Wiederentdeckung des Jahres gekürt, lohnt es sich spätestens jetzt, diese drei Kurzopern – Der Diktator, Schwergewicht oder die Ehre der Nation und Das geheime Königreich – eines erneuten Besuchs zu würdigen.

Während Krenek als Librettist und Komponist die Opern als Kontraste zueinander konzipiert hat, findet David Hermanns Regie verbindende Elemente und spannt einen inhaltlichen Bogen über alle drei Opern. Statt einer drastischen Aktualisierung des Sujets, behandelt Hermann vielmehr die scharfe, aber dennoch subtile Gesellschaftskritik innerhalb der Opern, die 1928 in für den Künstler politisch schwierigen Zeiten uraufgeführt wurden. Zudem bekam Krenek die Auswirkungen des Nationalsozialismus so stark zu spüren, dass seine Musik als „entartet“ diffamiert wurde und er infolgedessen nach Amerika emigrierte.

Dass es den Figuren aufgrund der Kürze der Stücke (drei Opern in zwei Stunden!) an Tiefe mangelt, mag man dem Abend vorwerfen können, dennoch schafft es Krenek als Librettist, diese in kürzester Zeit zu etablieren und die Handlung in turbulenter Geschwindigkeit voranzupreschen. Im Diktator – einer tragischen Oper – wird die Korrumpierbarkeit des Menschen und die von mächtigen Personen ausgehende Erotik thematisiert. Eine Rache suchende Frau eines im Krieg verwundeten Soldaten sucht den Diktator heim, erliegt jedoch scheinbar seinem Charme und wird schließlich von seiner Frau erschossen.

Davide Damiani lieferte eine eindringliche, stringente Interpretation des charismatischen Alleinherrschers mit dämonisch unberechenbarer Aura. Seine Stimmt erklang kühl, dennoch raumeinnehmend und erhaben. Zudem vermochte er auch als desillusionierter König in der letzten der drei Opern überzeugen.

Mit charaktervoller Tenorstimme gab Vincent Wolfsteiner einen blinden, kriegsgebeutelten Soldaten, gänzlich eine bizarre Figur, die sich passend in das groteske Wesen dieser Kurzoper einreihte. Angela Vallone als duckmäuserische Ehefrau mit schlanker Sopranstimme bildete stimmlich und darstellerisch einen prägnanten Kontrast zur verführerischen Maria. Juanita Lascarro zeichnete sie mit irisierender, kühler Stimme als leidenschaftliche, wenn auch wankelmütige Frau, die der Erotik der Macht erlag.

Die Figur des Diktators wird zum verbindenden Element der Stücke und kreiert eine Art Aufstieg und Fall eines Herrschers. In der burlesken Operette Schwergewicht besucht er eine zirkushafte Theaterrevue und wird zur Zielscheibe eines Anschlags, als die Schauspieler den Despoten im Publikum entdecken und sogleich einen Plan schmieden, ihn als Teil der Vorstellung zur Strecke zu bringen.

In der letzten und längsten der drei Opern – Das geheime Königreich – wird Davide Damiani in einen verbitterten König transformiert, der vollends in der Krise seiner politischen Herrschaft steckt. Verzweifelt vertraut er sich dem Narren an, der ihm zugleich anbietet, ihn aus seiner Verzweiflung zu befreien und zu zeigen, was sein wahres Königreich ist. Sebastian Geyer mimte den Narr mit Shakespeareschem Witz und Mephistophelischem Charme. Seine sonore Baritonstimme ergänzte die Leichtigkeit und das Spielerische seiner Rolle.

Währenddessen intrigiert auch die Gattin des Königs gegen ihn (mit vortrefflicher Bühnenpräsenz von Ambur Braid mit beschwipst-meisterhaften Koloraturen im giftgrünen Satinkleid) und versucht seine Krone für sich zu gewinnen. Und auch der Rebellenführer (Peter Marsh mit gewohnt glanzvoll hellem Tenor) hat es auf sie abgesehen. Nach all den grotesken Irrungen und Wirrungen endet der Abend märchenhaft hoffnungsvoll, als dem König das wahre Wesen seines Königreichs offenbart wird.

Dass die Produktion bei den International Opera Awards 2018 als Wiederentdeckung des Jahres ausgezeichnet wurde, liegt mit Sicherheit auch an Lothar Zagrosek, der als Krenek-versierter Dirigent ebenfalls die aktuelle Aufführungsserie leitete und bereits mehrere Opern des Komponisten einstudierte. Statt „Bauhaus-Barock“ oder mit „Jazz zu flirten“, wie Glenn Gould Kreneks Kompositionsstil einst nannte, entfaltete sich im Graben die vielschichtige und ungewöhnliche Musik des österreichischen Komponisten, die nicht ausschließlich von musikalischen Zitaten (beispielsweise Wagner, Strauss odere Schreker) lebt, sondern einen ganz eigenen Stil schafft. Mit facettenreichem Dirigat, leichtfüßig und mit nuancierten Soli unterstrich Zagrosek so Kreneks Bedeutung in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Ernst Kreneks einnehmende und nur selten aufgeführte Musik lässt die drei zugegebenermaßen bizarren und genreübergreifenden Geschichten lebhaft und originell erklingen. Dank David Hermanns Inszenierung und ihrer verbindenden Elemente wird eine kohärente Dramatik geschaffen. Diese fabelhafte Mischung aus Farce, Tragödie und Märchen ruft die Einzigartigkeit Kreneks Musik wieder in Erinnerung und bereitet eine lohnende Wiederentdeckung seines Œuvres.

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