Gelungene Premiere im Luzerner Theater

Krieg und Liebe so aktuell wie damals

Das Gummiboot bildet bei Monteverdis Liedern von Krieg und Liebe die Metapher für aktuelle Flüchtlingsströme. (Bild: Ingo Höhn / Luzerner Theater)

Gnadenlos treffen die Pfeile Amors ins Ziel und durchbohren all jene, denen das eigentlich Schönste der Welt widerfahren soll: Mit «Lieder von Krieg und Liebe» wird nicht nur die scheinbar gegensätzliche Thematik verknüpft, sondern auch Monteverdis Musik wiederbelebt. Diesen Sonntag feierte das Stück im Luzerner Theater Premiere.

Ein Mädchen streift über die finstere Bühne, der Strahl ihrer Taschenlampe sucht den Boden, dann die Wände ab. Der weisse Kreis, den das Ende des Lichtkegels auf die Bühnenwand wirft, trifft auf einen Schaltkasten. Das Mädchen geht näher an diesen heran. Und der Kreis des Taschenlampenlichts wird kleiner, seine Kontur verschärft sich. Dann ist sie am Schaltkasten angekommen und schlägt den Hebel nach unten um.

Ein Tor öffnet sich: Langsam rollt ein metallener Laden nach oben, darunter strömen Licht und Stadtlärm hindurch. Die Seitenwand der Box des Luzerner Theaters öffnet sich, eine Familie spaziert vorbei und dreht sich erstaunt um. Dann ist das Glitzern der Reuss im Abendrot zu sehen.

Gekonntes Zusammenspiel von Solisten und Singenden

Die Solistinnen und Solisten strömen durch das geöffnete Tor auf die Bühne – Diana Schnürpel, Olivia Doutney, Emanuel Heitz, Alexandre Beuchat, Timotheus Maas und die Chorsolistin Sofia Pollak. Und dann, die Singenden kauern auf einem Gummiboot, beginnt das 8. Madrigal Monteverdis mit «Altri canti d’Amor», als wäre die Bühne eine stürmische See, deren Schönheit die Klänge der menschlichen Stimmen sind.

Die Lieder von Krieg und Liebe bieten auch spannende Einblicke in die Vergangenheit Europas. (Bild: Ingo Höhn / Luzerner Theater) (Bild: Ingo Höhn / Luzerner Theater)

Im Luzerner Theater feiert «Lieder von Krieg und Liebe» Premiere. Szenische Madrigale für Solisten und Chor werden aufgeführt. Madrigale, das sind mehrstimmige Gesangsstücke, welche vor allem während der Renaissance und des Frühbarocks eine wichtige Musikform waren. Doch wie ist es, im 21. Jahrhundert einer solchen Darbietung beizuwohnen?

Monteverdi als Wegbereiter der Oper

Monteverdi, der 1567 in der Lombardei, in einer Stadt am linken Flussufer des Po, geboren wurde, und dessen musikalisches Werk die Wende von der Renaissance zum Barock markiert. Monteverdi, der auf den meisten seiner Porträts mit einem strengen Blick und einem weissen Kinnbart abgebildet ist.

Und Monteverdi, dessen Werk entscheidend zur Entwicklung des Genres «Oper» beitrug. Und der mit seinem 8. Madrigalbuch «Lieder von Krieg und Liebe» zwei oft als Gegensatz gewertete Phänomene vereint.

Krieg und Liebe so aktuell wie damals

Die tragische Liebesgeschichte des Kreuzritters Tankred mit der muslimischen Sarazenen-Prinzessin Clorinda ist nur eines von vielen Beispielen, wie diese Gegensätze in der Epik und im Drama gerne verknüpft werden. Doch kontrastreich ist nicht nur die Struktur solcher Erzählungen, sondern auch die Kombination der Musik Monteverdis mit dem Bühnenbild der diesigen Inszenierung.

In Schlauchbooten sitzen die Solistinnen und Solisten, in Kostümen, die an Leuchtwesten erinnern, tritt der Chor auf – eine Anspielung auf ein derzeitiges Drama, entnommen der heutigen Welt vielleicht? Die Hoffnung der Schutzsuchenden, Glückssuchenden auf Gummibooten in einer stürmischen, wilden See.

Zu hören sind zärtliche Stücke, aber auch Emotionen und Verzweiflung. (Bild: Ingo Höhn / Luzerner Theater) (Bild: Ingo Höhn / Luzerner Theater)

«Lass andere vom sanften Bogenschützen singen. Ich singe vom stolzen und wütenden Mars»: Seit der Antike wurde der Zorn in der Musik nicht mehr dargestellt, erläutert die Dramaturgin während der Einführung vor der Premiere. Und wo heutzutage Grunge, Heavy Metal und Punkrock Katharsis bieten, bringt die Musik Monteverdis eine andere Stimmung (und auch ein anderes Publikum) auf die Bühne, beziehungsweise in den Zuschauerraum.

Etwas zärtlicher scheint hier die Beziehung zur Musik, etwas weniger lärmig, im Gegenteil: Chaos wird höchstens komponiert, um es bewusst ans Finale einer tragischen Geschichte zu stellen, und zwar in Form einer emotionalen Verzweiflung aufgrund des Ausgangs einer Erzählung, eines Liedes «von Krieg und Liebe».

So grässlich der Dreissigjährige Krieg zur Zeit Monteverdis wütete, so gesittet war der damalige musikalische Ausdruck.

Ein wohltuendes Erlebnis

Die Schönheit der Musik, die Konzentration der Spielenden an ihren Instrumenten, die raumfüllenden Klänge der Solistinnen und Solisten – all diese Elemente machen den Besuch der Aufführung zu einem wohltuenden Erlebnis. Und für alle, die sich für Geschichte und Gesellschaft interessieren, bietet die Auseinandersetzung mit Monteverdi spannende Einblicke in die Vergangenheit Europas.

Auf der Bühne der Box werden die fünf Stücke des 8. Madrigalbuches aufgeführt: «Altri canti d’Amor», «Non partir, ritrosetta», «Il ballo delle ingrate», «Su, su, su pastorelli vezzosi» und «Il combattimento di Tancredi e Clorinda». Regie führte Dominique Mentha, die musikalische Leitung oblag Howard Arman.

«Lieder von Krieg und Liebe» wird noch bis zum 17. November aufgeführt.

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