Karol Szymanowski in Bern :
Wo aber Gefahr ist, wächst das Lockende auch

Von Werner M. Grimmel, Bern
Lesezeit: 3 Min.
Spielfreudiges Ensemble als verführtes Volk mit Plakaten dumpfer Glücksversprechen.
Exzellent in jeder Hinsicht: Ludger Engels inszeniert in Bern Karol Szymanowskis „Król Roger“ als Heilsgeschichte, Coming-Out-Story und Verführungskarikatur

Angesichts aktueller Skandale um sexuellen Missbrauch Minderjähriger können Aufrufe zu tabufreiem Ausleben erotischer Präferenzen einen heiklen Beigeschmack entfalten. Vorsicht vor Projektionen ist allzu naiven Anhängern von derlei Heilsbotschaften ebenso anzuraten wie jenen, die dahinter Verharmlosung oder gar Befürwortung nur scheinbar einvernehmlicher, in Wirklichkeit auf Machtgefälle beruhender Sexualbeziehungen wittern. Sind etwa die Kontakte, die der Aktfotograf Wilhelm von Gloeden vor dem Ersten Weltkrieg in Taormina zu sizilianischen Knaben und Jünglingen pflegte, vergleichbar mit dem Treiben pädophiler Touristen, die heute in Ländern wie Thailand unter Ausnutzung dortiger Armut ihre libidinösen Bedürfnisse befriedigen? Oder handelte es sich damals nur um künstlerische Sublimierung ephebophiler Neigungen im Einverständnis mit den Porträtierten?

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