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Im weißen Rössl

Singspiel in drei Akten
(frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg) von Hans Müller und Erik Charell
Gesangstexte von Robert Gilbert
Bühnenpraktische Rekonstruktion der Originalfassung von 1930 erstellt in Zusammenarbeit mit der Staatsoperette Dresden durch
Matthias Grimminger und Henning Hagedorn unter Mitwirkung von Winfried Fechner
Musik von Ralph Benatzky mit vier musikalischen Einlagen von Robert Gilbert, Bruno Granichstaedten und Robert Stolz

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 18. Januar 2020




Theater Dortmund
(Homepage)
Revue mit Nostalgiecharakter

Von Thomas Molke / Fotos: © Anke Sundermeier

Ralph Benatzkys Singspiel Im weißen Rössl assoziieren heutzutage viele mit rührseligen Heimatfilmen der 50er und 60er Jahre. Dabei ist vor allem die Fassung mit Peter Alexander als Oberkellner Leopold, Waltraut Haas als Rössl-Wirtin Josepha und Gunther Philipp als schöner Sigismund Sülzheimer im Gedächtnis geblieben. Dass dieses Singspiel 1930 ursprünglich als freche Revue konzipiert war, die neben den seligen Walzerklängen und der Marschmusik auch neue musikalische Einflüsse offenbarte, geriet dabei völlig in Vergessenheit. Erst 1994 versuchte Christoph Marti, mit seiner Inszenierung in der Berliner "Bar jeder Vernunft" den ursprünglichen Charakter des Werkes freizulegen. Durch längst verschollen geglaubtes Orchestermaterial erlebte das weiße Rössl dann am 19. Juni 2009 an der Staatsoperette Dresden eine Wiederbelebung in der ursprünglich frechen und jazzigen Originalfassung, die nun auch die Oper Dortmund auf den Spielplan gestellt hat.

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Leopold (Matthias Störmer) liebt die Rössl-Wirtin Josepha Vogelhuber (Irina Simmes).

Dabei setzt Bühnen- und Kostümbildner Toto auf eine opulente Ausstattung, die zum einen den Revuecharakter betont und dem Kitsch liebevoll Raum gibt, zum anderen aber auch die vom Massentourismus ersehnte, aber dabei arg mitgenommene Natur einfängt. Das mit weißen Lämpchen umrahmte Bergpanorama im Hintergrund und die zahlreichen Werbeschilder erinnern genauso wie die Pferde und die Kuh, die auf der rechten und linken Bühnenseite platziert sind, an eine "heile Welt" in einem Freizeitpark, der immer wieder für die einfallenden Besucherscharen neu hergerichtet werden muss. So sieht man vor der Vorstellung "Bühnenarbeiter*innen", die den Tieren und der Fassade einen neuen Anstrich verpassen. Mehrere Treppen im grauen Marmoroutfit deuten einerseits den Aufstieg auf einen Berggipfel an und verkörpern andererseits die für eine Revue charakteristischen Showtreppen. Das "weiße Rössl" ist als Gebäude auf der Bühne nicht vorhanden, sondern wird von einem riesigen weißen Pferdekopf dargestellt, der die Mitte der Bühne dominiert. Aus dem Schnürboden werden pittoreske Fenster herabgelassen, die die einzelnen Gästezimmer darstellen. Ein doppelstöckiges Fensterelement verwandelt dabei das obere Bühnenelement in der Mitte in das Balkonzimmer, das eigentlich für den von der Rössl-Wirtin geliebten Rechtsanwalt Dr. Siedler reserviert ist und in das der Zahlkellner Leopold deshalb Siedlers Kontrahenten, den Berliner Fabrikanten Giesecke, einquartiert.

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"Die ganze Welt ist himmelblau" für Ottilie (Giulia Montanari) und Dr. Siedler (Fritz Stenbacher).

In diesem bezaubernden Ambiente vertraut Thomas Enzinger in seiner Inszenierung der Vorlage des Librettos, verzichtet auf despektierliche Verfremdungen und gibt dem Kitsch, der dem Stück innewohnt, den erforderlichen Raum, ohne dabei das Werk der Lächerlichkeit preiszugeben. Die Figuren werden bei allen Skurrilitäten liebevoll gezeichnet. Große Anforderungen hat dabei der von Fabio Mancini einstudierte Chor zu bewältigen, der in ständig wechselnden Kostümen als Feriengäste in diese "Naturidylle" einfallen muss. Nur die Textverständlichkeit leidet bei der Verstärkung mit Mikroports bei den Massenszenen bisweilen. Szenisch gibt Enzinger einzelnen Chormitgliedern die Möglichkeit, durch kleine Regieeinfälle die Komik des Werkes zu unterstreichen. Erwähnt seien hier die beiden Damen, die mit zwei Wanderstöcken auf dem Weg zum Berggipfel in einer Szene immer wieder über die Bühne stolzieren und dabei zunehmend erschöpfter wirken. Den Revue-Charakter unterstreichen vier Tänzerinnen und vier Tänzer, die mit flotten Choreographien von Ramesh Nair in wechselnden bunten Kostümen zahlreiche Lieder in einem rhythmisch wechselnden Instrumentalteil ausklingen lassen und dabei auch die Solisten fließend integrieren.

Die Figuren sind allesamt großartig besetzt. Da ist zunächst Matthias Störmer als Leopold Brandmeyer zu nennen, der dem Zahlkellner nicht nur einen überzeugenden Wiener Schmäh in der Diktion verleiht, sondern auch noch mit der Geige auftritt und sich teilweise selbst begleitet. Auch mit dem Publikum spielt er wunderbar. Wenn bei der Ankunft des Kaisers die österreichische Bevölkerung benötigt wird, fordert er das Publikum kurzerhand auf, diese Rolle zu übernehmen, und studiert mit den Zuschauerinnen und Zuschauern "O du mein Österreich" ein, das beim Auftritt des Kaisers von der Bühne und aus dem Saal erklingen soll. Dabei zeigt er sich auch recht kritisch und ermahnt die Herren im Publikum, dass das hier kein Fußballspiel sei. Irina Simmes, die in der Inszenierung 2011 im benachbarten Gelsenkirchen noch als Klärchen auf der Bühne stand (siehe auch unsere Rezension), macht optisch nachvollziehbar, wieso sich Leopold nach ihr verzehrt, und überzeugt stimmlich durch glockenklaren Sopran. Die Unnahbarkeit der Rössl-Wirtin setzt sie darstellerisch glaubhaft um, und wenn sie nach dem Besuch des Kaisers sein Lied "Es ist nun mal im Leben so" aufgreift, verleiht sie der Figur eine tiefe Melancholie. Fritz Steinbacher mimt einen sympathischen Rechtsanwalt Dr. Siedler, dessen Herz für Ottilie Giesecke schlägt. Dass die Rössl-Wirtin in ihn verliebt ist, nimmt er jedoch gar nicht zur Kenntnis. Mit Giulia Montanari als Ottilie gibt er ein schönes Paar ab, das stimmlich und tänzerisch überzeugt.

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Sigismund Sülzheimer (Morgan Moody, links) trifft auf Prof. Dr. Hinzelmann (Frank Voß, Mitte) und seine Tochter Klärchen (Karen Müller).

Komische Akzente setzt Steffen Schortie Scheumann als ständig grantelnder Fabrikant Wilhelm Giesecke. Die Berliner Kodderschnauze steht ihm auch dann noch, wenn er sich im Trachtenhemd und kurzer Lederhose auf einen Berggipfel führen lässt und dann minutenlang in einer Gondel in der Luft hängt. Frank Voß zeigt als Prof. Dr. Hinzelmann und Bergführer große Wandlungsfähigkeit. Während er sich als Bergführer sehr selbstbewusst gegen den stets schimpfenden Giesecke durchzusetzen weiß und ihn kurzerhand auf dem Berg alleine lässt, spielt er den finanziell nicht auf Rosen gebetteten Professor sehr leise und bescheiden. Karen Müller macht als seine lispelnde Tochter Klärchen nicht nur darstellerisch eine gute Figur, sondern glänzt auch durch eine großartige Steppeinlage mit den übrigen Tänzerinnen und Tänzern bei "Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?". Für Morgan Moody ist der "schöne Sigismund" ebenfalls eine Paraderolle. Mit gewaltigem Cabrio fährt er als Sohn von Gieseckes Konkurrenten Sülzheimer auf der Bühne vor und lässt die Damenherzen sofort höher schlagen. Mit Schwimmflossen gelingt ihm gemeinsam mit Müller eine tolle Choreographie zum bereits erwähnten "Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?" Auch in dem Tango "Und als der Herrgott Mai gemacht" setzt er mit Müller tänzerisch Akzente.

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Die Rössl-Wirtin Josepha (Irina Simmes) bedient den Kaiser (Ks. Hannes Brock).

Den Kaiser kann natürlich in Dortmund nur einer spielen: Kammersänger Hannes Brock, der für die Rolle aus dem Ruhestand zurückgeholt wird. Mit ruhigem Spiel verleiht er der Figur die entsprechende Würde und Herzenswärme, mit der er der Rössl-Wirtin klar macht, was sie an ihrem Oberkellner Leopold hat. Sein schwermütiges Lied "Es ist nun mal im Leben so" avanciert zu einem weiteren Höhepunkt des Abends. Von daher dürfte es kein Zufall sein, dass Brock im Programmheft als Kaiser Franz Josef II. betitelt wird, obwohl es sich im Stück ja eigentlich um Franz Josef I. handelt. Johanna Schoppa darf in einer Operettenproduktion in Dortmund selbstverständlich auch nicht fehlen. Da die Rolle der Briefträgerin Kathi allerdings nicht genügend Entfaltungsmöglichkeiten bietet, ist die Figur von der Regie noch aufgewertet worden. So darf Schoppa nicht nur Jodeln sondern auch noch Rappen. Diese etwas klamaukigen Elemente kommen beim Publikum sehr gut an, auch wenn sie für das Stück eigentlich überflüssig sind. Thomas Stitilis rundet als Piccolo Gustav mit witzigen Slapstick-Einlagen das spielfreudige Ensemble wunderbar ab. Philipp Armbruster zaubert mit den Dortmunder Philharmonikern aus dem Orchestergraben einen frischen Sound zwischen Walzerseligkeit und jazzigen Rhythmen, so dass es für alle Beteiligten stehende Ovationen und großen Jubel gibt.

FAZIT

Das Ensemble steht zu dem Benatzkys Singspiel innewohnenden Kitsch, setzt das Stück mit viel Charme und flott in Szene und begeistert dabei auf ganzer Linie.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philipp Armbruster

Regie
Thomas Enzinger

Co-Regie, Choreographie
Ramesh Nair

Bühne und Kostüme
Toto

Licht
Sabine Wiesenbauer
Florian Franzen

Chor
Fabio Mancini

Dramaturgie
Laura Knoll

 

Dortmunder Philharmoniker

Opernchor Theater Dortmund

Statisterie Theater Dortmund

 

Solisten

Josepha Vogelhuber, Wirtin zum "Weißen Rössl"
Irina Simmes

Leopold Brandmeyer, Zahlkellner
Matthias Störmer

Wilhelm Giesecke, Fabrikant
Steffen Schortie Scheumann

Ottilie, seine Tochter
Giulia Montanari

Dr. Otto Siedler, Rechtsanwalt
Fritz Steinbacher

Sigismund Sülzheimer
Morgan Moody

Prof. Dr. Hinzelmann / Der Bergführer
Frank Voß

Der Kaiser Franz Josef II.
Ks. Hannes Brock

Klärchen, Hinzelmanns Tochter
Karen Müller

Der Piccolo
Thomas Stitilis

Kathi, Briefträgerin
Johanna Schoppa

Tänzerinnen
Nicole Eckenigk
Selly Meier
Karen Müller
Anna Pinter

Tänzer
James Atkins
Stephen Dole
Erik van Hoof
Torben Rose

 


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Theater Dortmund
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