Mozart in Genf :
Liebesopfer für die Nachkommen

Von Kerstin Holm, Genf
Lesezeit: 4 Min.
Heißt Martern willkommen: Olga Pudova (vorn links) als Konstanze mit ihrem Altersselbst Francoise Vercruyssen (rechts)
Aus einem Roman von Asli Erdogan hat Luk Perceval in Genf neue Dialoge zu Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ gemacht. Entstanden ist lebensphilosophisches Nichtdrama, das sympathische Züge trägt - aber die Musik beschädigt.

Mozarts Orient-Oper „Die Entführung aus dem Serail“ ist schon auf so viele Arten aktualisiert worden. Das Singspiel über die Befreiung gekidnappter Frauen wurde ins Palästina der Kolonialkonflikte verlegt, in ein Bordell, ins Foltergefängnis von Abu Ghraib, doch als Parabel auf die existentielle Einsamkeit des Menschen, die zum Gefängnis wird, hat man es noch nicht erlebt. Als solche hat jetzt der Schauspielregisseur Luk Perceval die „Entführung“ in Genf inszeniert, wobei er dem Stück alle Exotik austrieb und die frechen Dialoge durch Reflexionen aus Asli Erdogans Roman „Der wundersame Mandarin“ ersetzte. Dadurch wird das Stück zugleich in Genf verortet. Denn Erdogans Text verarbeitet ihre Erfahrung dort als junge Physikerin, die sich in der reichen, aber auch multikulturellen und prekären Stadt nach Zuneigung sehnte und zugleich mit den sie umgebenden Menschen haderte.

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