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Opern-Kritik: Deutsche Oper Berlin – A Midsummer Night’s Dream

Von der Poesie der Musik

(Berlin, 26.1.2020) GMD Donald Runnicles vervollständigt seinen Britten-Zyklus mit shakespearescher Eloquenz – und schenkt dem Publikum einen sinnlichen Hochgenuss.

vonJoachim Lange,

Es ist ein musikalisches Fest, das der GMD der Deutschen Oper Donald Runnicles mit diesem „Sommernachtstraum“ seinem Publikum bereitet. Man hört in jeder Phase, dass er auch diese Musik seines Landsmannes Benjamin Britten geradezu zärtlich aus dem Orchester der Deutschen Oper Berlin herauskitzelt, um sie zuerst den Sängern und alles zusammen dem Publikum auf dem Silbertablett zu servieren. Mag ja sein, dass Britten sich dafür einen eher intimeren, kammerspielartigen Rahmen vorgestellt hat und auch ziemlich schnell beim Komponieren zu Werke ging. Aber so wie Runnicles das in der Deutschen Oper zum großen Abend macht, ist es mit all dem musikalischen Witz, den augenzwinkernden Anspielungen, den kleinen aufleuchtenden melodischen Bögen und der shakespeareschen Eloquenz ein musikalisch sinnlicher Hochgenuss! Auf den man bei Kompositionen, die mit 60 Jahren zur Moderne gehören, so nicht von vornherein wetten würde. Mit diesem „A Midsummer Night’s Dream“ vervollständigt der GMD den Brittenzyklus, an dem er seit Jahren beharrlich und mit Erfolg an seinem Haus baut.

Passgenau perfektes Ensemble

„A Midsummer Night's Dream“ an der Deutschen Oper Berlin: James Hall (Oberon), Siobhan Stagg (Tytania), Jami Reid-Quarell (Puck)
„A Midsummer Night’s Dream“ an der Deutschen Oper Berlin: James Hall (Oberon), Siobhan Stagg (Tytania), Jami Reid-Quarell (Puck)

Das Ensemble, das mit dem Elfenkönigspaar und ihren Fuß- bzw. beflügelten Truppen, den Liebesleuten aus Athen, den theaterversessenen Handwerkern und dem Herzogspaar verschiedene Sphären nebeneinander stellen muss, die der Puck durcheinander wirbelt, ist zudem passgenau besetzt. Der Counter James Hall, der den Oberon singt, war bereits mit von der Partie, als die Inszenierung im Mai letzten Jahres bei der koproduzierenden Oper in Montpellier schon dreimal über die Bühne ging. In Berlin ist Siobhan Stagg die Titania an seiner Seite. Die beiden Paare aus Athen, bei denen Puck seine Verwirrung der Gefühle anrichtet, sind bei Gideon Poppe (Lysander) und Samuel Dale Johnson (Demetrius) in sicheren männlichen und bei Karis Tucker und Jeannine De Bique in ebensolchen weiblichen Kehlen.

In der Handwerkertruppe räumt naturgemäß vor allem James Platt als der übereifrige Weber Bottom ab, der als Esel zum Objekt der unfreiwilligen Begierde Titanias wird. Die Mittelklasse-Athener kommen britisch, die Männer uniformiert daher, alles mit einem ein Hauch der 50er Jahre. Der Herzog (Padraic Rowan) torkelt in seiner Ausgehuniform etwas angetrunken auf seine die Form wahrende Gattin (im royalen Habitus: Annika Schlicht) zu. Die Handwerker sind eher karikierend, die Elfen von Annemarie Woods auf streng stilisiertes Grau getrimmt. Dass sich Oberon und Titania eigentlich ziemlich ernsthaft um den Knaben streiten, der sich in leuchtendem Marineblau hinter seinem Plüschhasen versteckt, geht hier freilich zu harmlos wie ganz nebenbei unter. Schon verblüffend, wie man so eine Steilvorlage heutzutage übergehen kann.

Die Bilder entstehen beim Publikum im Kopf

„A Midsummer Night's Dream“ an der Deutschen Oper Berlin: Jeanine De Bique (Helena), Karis Tucker (Hermia), Jami Reid-Quarell (Puck)
„A Midsummer Night’s Dream“ an der Deutschen Oper Berlin: Jeanine De Bique (Helena), Karis Tucker (Hermia), Jami Reid-Quarell (Puck)

Der New Yorker Regisseur Ted Huffman und Bühnenbildnerin Marsha Ginsber können allerdings den Wettlauf mit den opulenten Waldbildern der sagenhaft verwirrenden Mittsommernacht, die jeder im Kopf haben mag, oder auch den um die Auslotung von Untiefen, die sich erahnen lassen, schon deshalb nicht verlieren, weil sie ihn gar nicht antreten. Dennoch entstehen diese Bilder beim Publikum im Kopf. Aus der Musik und aus einer Personenregie heraus, die nicht nur die Protagonisten, sondern auch jedes Chormitglied ernst nimmt. Herzerwärmend der fabelhafte, von Christian Lindhorst einstudierte Kinderchor des Hauses! Alles auf einer leeren Bühne bzw. einem überdimensionierten Podest. Die Bretter, die die Welt bedeuten, kann man von den Rändern aus erklimmen und dorthin auch verschwinden. Und weil alles leer ist, wirken die rosa Wölkchen, die aus dem Schnürboden einschweben und auf einer riesigen Stehleiter ankern oder die Mondsichel an einer Stange, die hereingetragen und hinzugefügt wird, umso mehr.

Wirksamkeit durch Sparsamkeit

Szene aus „A Midsummer Night's Dream“ an der Deutschen Oper Berlin
Szene aus „A Midsummer Night’s Dream“ an der Deutschen Oper Berlin

Beim Theaterspiel der Handwerker in dem in warmem Rot ausgeschlagenen Bühnenkasten beim Herzog tauchen Pyramus und Thisbe plötzlich als riesige geführte Puppen auf. Das passt zur Poesie der Sparsamkeit, ja krönt sie. Ein Clou zwischen und über allen ist der Puck. Schauspieler Jami Reid-Quarell gleitet (speziell von Ran Arthur Braun choreografiert) so gekonnt durch die Luft, überschlägt sich oder bewegt sich auch auf dem Boden so schwebend, dass man die Seile, an denen er hängt, schon bald nicht mehr sieht. Beifall für alle!

Deutsche Oper Berlin
Britten: A Midsummer Night’s Dream

Donald Runnicles (Leitung), Ted Huffman (Regie), Marsha Ginsberg (Bühne), Annemarie Woods (Kostüme), D. M. Wood (Licht), Sam Pinkleton (Choreographie), Ran Arthur Braun (Choreografie Puck), Sebastian Hanusa (Dramaturgie), Sebastian Hanusa, James Hall, Siobhan Stagg, Jami Reid-Quarrell, Padraic Rowan, Annika Schlicht, Gideon Poppe, Samuel Dale Johnson, Karis Tucker, Jeanine De Bique, James Platt, Timothy Newton, Michael Kim, Patrick Guetti, Matthew Peña, Matthew Cossack, Markus Kinch, Lola Violetta Haberstock, Selina Isi, Chiara Annabelle Feldmann, Kinderchor und Orchester der Deutschen Oper Berlin

GMD Donald Runnicles spricht über Benjamin Brittens „A Midummer Night’s Dream“:

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