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Händel-Festspiele in Karlsruhe: Trauer muss Tolomeo tragen

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Jakub Józef Orlinski in elegischer Stimmung.
Jakub Józef Orlinski in elegischer Stimmung. © Falk von Traubenberg

Mit einer Rarität, musikalisch rund, szenisch gedrosselt, eröffnen die Händel-Festspiele in Karlsruhe.

Georg Friedrich Händels selten gespielte Oper „Tolomeo, re d’Egitto“ (1728 uraufgeführt) stellt sich zur Eröffnung der Händel-Festspiele in Karlsruhe als innigliches, ziviles Beziehungstableau dar. Es zeigt sich dabei, dass es eben doch schwächere Händel-Opern gibt. Es fehlt an instrumentalen und stimmungstechnischen Kontrasten im fast dreistündigen Klagen und sogar bei den gelegentlichen überschaubaren Wutausbrüchen. Das markanteste an diesen Wutausbrüchen ist ihre Folgenlosigkeit.

In der musikalischen Umsetzung im Badischen Staatstheater ist das gleichwohl makellos. In der Titelrolle stößt der äußerst bewegliche Countertenor Jakub Józef Orlinski als Star des Abends ins zutiefst seriöse Fach vor. Dabei erweist er sich erneut als geschmeidiger Virtuose mit seiner stets blendend beherrschten, großen Altstimme. An seiner Seite Louise Kemény als verloren gegangene und nun inkognito auftretende Geliebte Seleuce, ein Engel in Bild und Ton – der besonders lichte Sopran eine sinnige Ergänzung zu Orlinskis mildem, wenig metallischem Timbre.

Der Herausforderung eines zweiten hellstimmigen Paares kommen die Mezzosopranistin Eléonore Pancrazi als Elisa und ein weiterer Counter, Meili Li, als Alessandro niveauvoll nach. Trotzdem gut, dazwischen den grandiosen Bariton Morgan Pearse als Araspe zu hören, den einsamen Verlierer der Geschichte: Noch im Zorn bleibt seine Stimme samtweich. Dazu die Deutschen Händel-Solisten – das Spezialorchester der Festspiele – unter Federico Maria Sardelli, die einen opulenten, aber nicht dicken Barockklang bieten. Eine nicht zu ausgeklügelte Natürlichkeit scheint das Gebot zu sein. Das Tutti braust quasi gemeinsam mit den Meereswellen, und ebenso kühl und unerbittlich.

Trauer ist Tolomeos Ton der Stunde. Die Mutter Kleopatra (DIE Kleopatra) hat ihn nicht geliebt, sondern nach Zypern verbannt, um den jüngeren Bruder Alessandro zu ihrem Nachfolger zu machen. Die süße Seleuce ist ihm unter den tragischen Umständen abhanden gekommen, er glaubt sie tot. Inzwischen befinden sich aber alle auf Zypern, wo der Herrscher Araspe sich in Seleuce verliebt hat und seine Schwester Elisa in Tolomeo. Da auch der Neuankömmling Alessandro, ein braver Mann, sie interessiert, muss man sich zwar nicht zu große Sorgen machen. Aber es ist ein langer Weg zum guten Ende, ein Weg, auf dem in diesem Fall krass wenig passiert – was nachher günstig ist, die meisten Figuren wären sonst längst tot, gemordet oder durch eigene Hand gestorben. Orlinski als dauertrauernder Tolomeo ist insgesamt ungewohnt ernst zu erleben (im Schlussjubel ist er erst wieder ganz er selbst) und die Inszenierung von Benjamin Lazar geradezu statuarisch.

Im Programmheft ist zu erfahren, dass ein melancholisches altes Künstlerhotel im nordfranzösischen Trouville die Bühnenbildnerin Adeline Caron zum silbrigen Saal inspirierte, dessen große Fensterseite teils matt bleibt, teils den Blick auf Yann Chapotels Video freigibt: das hier anbrandende Meer. So wunderschön und gewiss aufwendig das gemacht ist – ein Sonnenuntergang bis zur sanft funkelnden Nachtstimmung wird sich dort ausbreiten, nachher ein bedeckter Morgen erscheinen –, so zurückhaltend ist das auch.

Es scheint zudem alles auf einen Moment eleganter Ironie hinzulaufen: Als Tolomeo nämlich jäh aufflammend singt, dass er ein Fels in der Brandung sei, nehmen die Wellen überhand, schwappen über ihn und setzen den Saal quasi unter Wasser. Zierliche Quallen schweben als Beleuchtungskörper von oben ein, hinterm Glas ein Unterwasserwald (auch im Libretto kommt jetzt eine Waldgegend ins Spiel). Das ist ein Effekt, aber dann fängt Lazar nichts mit ihm an. Denn das Personal – die Ägypter von Alain Blanchot schlicht heutig, die Zyprioten ein wenig schrill eingekleidet – wandelt praktisch allgegenwärtig durch den Saal, sitzt traurig umher, geht wieder ein paar Schritte, blickt aufs Meer. Es ist ein Elend. Und bei allem Respekt davor, nicht das vertraute Barock-Spektakel entfacht zu sehen (im zu den Festspielen wiederaufgenommenen „Serse“ in Reinform zu erleben), ist das auf geschmackvolle Art wenig.

Staatstheater Karlsruhe: 19., 22., 25. Februar. Die Händel-Festspiele gehen bis zum 28. Februar www.staatstheater.karlsruhe.de

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